Heute Freitag wird zum 22. Mal die Schweizer Erzählnacht durchgeführt. Mit 600 Austragungsorten in der ganzen Schweiz – zehn Prozent mehr als letztes Jahr – dürfte es die grösste Kulturveranstaltung des Landes werden. Erwartet werden etwa 60’000 Leser und Zuhörerinnen.
Das Motto „Anderswelten“ – „D’autres mondes“ – „Altri mondi“ – „Auters munds“ ist vielseitig anwendbar, wie die Liste der Veranstaltungen zeigt. So gibt es etwa Sagen rund um die Festung Aarburg, einen Nightmarewalk in Frick AG, Zauberer in Basel oder einen Hexenabend in Marthalen ZH.
Viele Veranstalter interpretieren das Motto multikulturell: So gibt es einen finnischen Märchenabend in Russikon ZH und einen orientalischen in Bonaduz GR. Nach Bütschwil SG wurde der schweizerisch-kurdische Autor Yusuf Yesilöz eingeladen, in Köniz BE wird aus Martin Suters „Der Koch“ gelesen und parallel dazu die darin vorkommende tamilische Speise zubereitet.
Mit Kulinarischem locken auch andere Veranstalter Leseratten an – neben internationalen Buffets ist heuer sinnigerweise Buchstabensuppe sehr beliebt.
A Night at the Library
Die weitaus meisten Organisatoren sind Schulen und Bibliotheken. Viele staffeln ihre Veranstaltungen: Die Kleinen kriegen nachmittags, die Erwachsenen abends etwas erzählt, respektive dürfen selber fabulieren. Wie schon in früheren Jahren sind Nachtspaziergänge und/oder Pyjamaparties in Bibliotheken verbreitet.
Kinder von TV und PC wegzulocken, war die Absicht, die hinter der ersten Erzählnacht 1990 steckte: Der Walliser Lehrer Kurt Schnidrig entwickelte das Konzept zunächst als „Oberwalliser Märlinacht“ – ausschliesslich für Kinder. Doch die Erwachsenen meldeten bald auch Interesse an und wurden ab 1994 zugelassen.
1995 waren es 100 Projekte in der ganzen Deutschschweiz, im Jahr darauf 300 in Deutsch- und Westschweiz, 1999 kam das Tessin dazu und mittlerweile machen auch rätoromanische Gemeinden mit. Mit etwa 120 Veranstaltungen ist das Tessin heuer erneut sehr aktiv, in der Romandie werden immerhin 84 Erzählnächte gestaltet.