Die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz sollen wegen der unklaren Situation mit der Personenfreizügigkeit nicht als Ganzes aufs Spiel gesetzt werden. Dafür plädierte der Schweizer EU-Botschafter Roberto Balzaretti vor EU-Parlamentsmitgliedern.
Es sei nun an der Zeit, eine gemeinsame Vision zu entwickeln, wie die Beziehung Schweiz-EU künftig aussehen solle, sagte Balzaretti am Donnerstag in Brüssel vor dem Parlamentsausschuss für Binnenmarkt und Konsumentenschutz. Und dies «ohne uns von den noch offenen Fragen zur Personenfreizügigkeit bremsen zu lassen».
Die Freizügigkeit dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr müsse eine Strategie gewählt werden, «die es erlaubt, auf mehrere Themen zu bauen, an denen ein gemeinsames Interesse besteht».
EuGH-Lösung nicht ausgeschlossen
Balzaretti verwies dabei auf die bereits bestehenden intensiven Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz. Gleichzeitig machte er aber deutlich, dass der gegenseitige Zugang zu den Märkten nur partiell sei, «da die vier Freiheiten nicht in gleichem Masse in der Schweiz Anwendung finden wie innerhalb der EU und mit dem EWR».
Um diesen «bilateralen Weg auszubauen und zu vertiefen», akzeptiert die Schweiz laut Balzaretti, dass neue Marktabkommen nur zusammen mit einem institutionellen Rahmenabkommen zustande kommen können, damit die Homogenität des EU-Rechts und das Funktionieren des EU-Binnenmarktes garantiert ist.
Die Schweiz sei unter Umständen für eine EuGH-Lösung bereit, sagte der Botschafter. Dies, obwohl sie als Drittstaat keinen Einfluss auf das EU-Recht habe. Anderseits müsse aber seitens Brüssel die Souveränität der Schweiz als Nicht-EU-Staate respektiert werden, fügte er an.
Verhandlungen gehen weiter
Aufgrund dieser komplexen Situation warb Balzaretti für Verständnis dafür, dass sich diese Verhandlungen in die Länge ziehen. Er verwies aber auch auf Abkommen, an denen zurzeit verhandelt wird. Dabei erwähnte er die Bereiche Strom, Gesundheit, Emissionshandel und Kultur.
Damit trat er zugleich Gerüchten entgegen, laut denen die EU sämtliche Verhandlungen abgebrochen habe. Diese waren nach einer kommissionsinternen Koordinationssitzung Mitte April entstanden, an welcher den Hoffnungen der Schweiz auf ein provisorisches Stromabkommen eine definitive Absage erteilt worden war.
Wenig Verständnis für Schweiz
Die konservative EU-Abgeordnete Anne Sanders machte ihrerseits unmissverständlich klar, dass die EU beim Prinzip der Freizügigkeit hart bleiben wird. Sie kritisierte ausserdem, dass das Freizügigkeitsabkommen nicht wie vorgesehen auf Kroatien ausgedehnt wurde.
Und Nicola Danti, Sozialdemokrat aus Italien, meinte kurz und bündig: «Man muss Verpflichtungen einhalten, die man eingegangen ist. Das gilt auch für die Schweiz.»
Kristin Schreiber, die bei der EU-Kommission für den Binnenmarkt zuständig ist und ebenfalls zur Anhörung eingeladen war, sagte an die Adresse der Schweiz: «Man kann nicht an einem Fussballspiel teilnehmen und dann sagen, wir wollen aber die Abseitsregel nicht.»
Die Äusserungen an dieser Anhörung werden in das Papier des Parlamentsausschusses einfliessen. Später wird es dann dem EU-Parlament als Entschliessung zur Abstimmung vorgelegt.