Dem Schweizer Fedcup-Team winkt in Minsk die grosse Chance zum zweiten Finaleinzug nach 1998. Auf dem Papier sind die Spielerinnen um Timea Bacsinszky Favorit, die Ausgangslage ist aber heikel.
Belinda Bencic bestand die erste Herausforderung in Minsk nur mit Müh und Not. Für die Video-Crew des internationalen Tennisverbands (ITF) sollten die Schweizer Girls konzentriert in die Kamera blicken. Angesichts der Faxen der Teamkolleginnen war dies jedoch kaum möglich, ohne im Sekundentakt in lautes Lachen auszubrechen. Als sie dann noch die typischen Gesten und «Moves» von Captain Heinz Günthardt nachmachen sollten, waren die Schweizerinnen erst recht nicht mehr zu halten. Jetzt war Lachen erwünscht – und Bencic und Co. legten eine mitreissende Performance hin.
Die Szenerie zwei Tage vor Beginn des Fedcup-Halbfinals zeigte vor allem eines: Das ist keine Pflichtaufgabe, hier sind echte Freundinnen am Werk. Nicht zum ersten Mal streicht Bacsinszky die «super Ambiance» und den «riesigen Teamgeist» heraus. «Wir sind eine ganze Generation in verschiedenem Alter, mit unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichem Hintergrund. Das gibt einen explosiven Cocktail.»
Weissrussinen im Aufwind
Nach der Auslosung schien dieser Halbfinal gegen ein weissrussisches Team ohne die ehemalige Weltnummer 1 Viktoria Asarenka manchen fast schon ein Freilos. Keine der Gegnerinnen gehörte zu den Top 100. Mittlerweile ist die Ausgangslage allerdings etwas heikler geworden. Während in diesem Jahr noch keine der Schweizerinnen auf Touren gekommen ist, sind die Osteuropäerinnen zu einem eigentlichen Höhenflug gestartet. Alexandra Sasnowitsch verbesserte sich mit ihrem ersten WTA-Halbfinal letzte Woche in Biel auf Platz 96, die 18-jährige Arina Sabalenka (WTA 125) zwang im Fedcup-Viertelfinal gegen die ebenfalls favorisierten Niederlande Kiki Bertens an den Rand einer Niederlage und bezwang Michaella Krajicek. Olga Goworzowa (WTA 147) reiste mit einem ITF-Turniersieg (allerdings auf Sand) im Gepäck aus Florida an.
An der Unterstützung des Publikums wird es dem Heimteam ebenfalls nicht fehlen. Die 8800 Plätze in der Tschischowka-Arena, in der an der Eishockey-WM 2014 30 Partien stattgefunden haben, sind ausverkauft. 80 Fans reisen aus der Schweiz an.
Sasnowitsch und Sabalenka zögerten auf die Frage nach dem Favoriten denn auch lange, ehe der Teenager meinte: «Wahrscheinlich doch ein bisschen die Schweiz.» Timea Bacsinszky findet sowieso, das habe im Fedcup nicht viel zu bedeuten. Der Schlüssel dürfte ihre wieder gefundene Fitness sein. Seit ihrer Aufgabe in Indian Wells wegen Problemen im Handgelenk hat die Waadtländerin kein Einzel mehr bestritten. Das Erreichen des Doppelfinals mit Martina Hingis in Biel gibt ihr aber die Gewissheit, dass wieder alles gut ist – und das Olympia-Silberduo bereit wäre, falls es in Minsk nach den vier Einzeln 2:2 stehen sollte.
Grund für die Probleme ist eine kleine Veränderung bei ihrem Schläger. Bacsinszky verschob das Gewicht ein wenig, um das Racket etwas kopflastiger zu machen, hatte dann aber wegen Rückenproblemen Anfang Jahr nicht genügend Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Das führte bereits am Australian Open zu Schmerzen, die nun aber wieder weg sind.
Vorteil Bencic
Wer am Samstag das zweite Einzel bestreiten wird, hatte Captain Günthardt am Donnerstag noch nicht entschieden. Beide Kandidatinnen, Viktorija Golubic (WTA 54) und Bencic (WTA 129), gehören in diesem Jahr zu den Sorgenkindern. Auf der WTA Tour haben sie zusammen nur gerade vier Matches gewonnen. Zudem verlor Golubic in Biel ausgerechnet gegen Sasnowitsch. «Das könnte aber auch helfen, weil ich sie jetzt besser kenne», suchte die 24-jährige Zürcherin nach Positivem.
Dennoch spricht einiges für einen Einsatz von Bencic – wie im Viertelfinal im Februar gegen Frankreich. Die 20-jährige Ostschweizerin spielte in diesem Jahr in den Teamevents – am Hopman Cup mit Roger Federer und in Genf im Fedcup – wesentlich besser als auf der Tour. Sie hat im Fedcup überhaupt nur zwei von neun Einzeln verloren. «Das Selbstvertrauen hat schon gelitten», gibt die tief gefallene einstige Nummer 7 der Welt offen zu. «Aber das gehört dazu.» Die Atmosphäre und der Teamgeist im Fedcup würden sie aber immer pushen. Die gute Laune und Lockerheit, die sie im Turnieralltag verloren hat, sind ihr in diesen Tagen in Minsk in jeder Sekunde anzusehen. Was ebenfalls für Bencic sprechen könnte, ist der Belag. Dieser ist deutlich schneller als in Biel und kommt damit der Angriffsspielerin eher entgegen als Golubic.
Fedcup-Debüt von Biel-Siegerin Vondrousova
Im zweiten Halbfinal stehen sich auf einem Sandplatz im Saddlebrook Resort in Florida die USA und Titelverteidiger Tschechien gegenüber. Ohne ihre bestklassierten vier Spielerinnen sind die Tschechinnen für einmal eher Aussenseiter. Dafür kommt die sensationelle Gewinnerin des Turniers in Biel, Marketa Vondrousova, zu ihrem Fedcup-Debüt. Die Amerikanerinnen werden von der Australian-Open-Halbfinalistin Coco Vandeweghe angeführt. Sollte sich die Schweiz für den Final qualifizieren, müsste sie in jedem Fall auswärts antreten.