Die Eidgenossenschaft hat laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegenüber dem Schweizer Fernsehen (SF) die Informationsfreiheit verletzt. SF war 2004 die Drehbewilligung für ein Filminterview mit einer inhaftierten Mörderin verwehrt worden.
SF hatte im August 2004 die Direktion der Berner Frauenstrafanstalt Hindelbank erfolglos darum ersucht, Filmaufnahmen mit einer Frau zu bewilligen, die 1998 in Bern ihren Gatten ermordet hatte. Das Interview mit ihr sollte in der Sendung „Rundschau“ im Hinblick auf den kommenden Prozess gegen einen Tatbeteiligten gezeigt werden.
Der negative Entscheid der Anstaltsleitung wurde 2006 vom Bundesgericht höchstrichterlich bestätigt. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG gelangte in der Folge an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
Ungenügende Interessenabwägung
Dessen fünfte Abteilung hat am Donnerstag nun mit fünf gegen zwei Richterstimmen entschieden, dass die Schweizer Behörden und Gerichte mit der kategorisch verweigerten Drehbewilligung gegenüber SF die Informationsfreiheit gemäss Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt haben.
Laut den Richtern in Strassburg haben die eidgenössischen Instanzen nicht ausreichend geprüft, ob das Filmverbot aus Sicherheitsgründen oder zum Schutz der Rechte von Mitgefangenen tatsächlich nötig gewesen wäre. Die inhaftierte Interviewpartnerin selber habe nicht geschützt zu werden brauchen, zumal sie ja eingewilligt habe.
Insgesamt habe keine ausreichende Abwägung der verschiedenen auf dem Spiel stehenden Interessen stattgefunden. Die Schweiz habe nicht aufzuzeigen vermocht, dass das absolut verhängte Drehverbot einem zwingenden gesellschaftlichen Bedürfnis entsprechen würde.