Ein internationales Forscherteam unter Schweizer Leitung hat einen Antikörper gegen die lebensgefährliche Viruserkrankung Mers isoliert. Er könnte in Kürze zur Therapiereife gebracht werden – sofern sich ein Produzent findet.
Nur vier Monate brauchten die Forscher um Antonio Lanzavecchia von der Università della Svizzera Italiana (USI) in Bellinzona nach eigenen Angaben, um die Antikörper zu isolieren, zu testen und in grossen Mengen zu produzieren, wie sie im Fachjournal «PNAS» berichten. Sie hatten die Antikörper aus dem Blut des ersten an Mers erkrankten Patienten gewonnen.
Am Middle East Respiratory Syndrome (Mers) sind seit seiner Entdeckung 2012 bereits rund 1300 Menschen erkrankt und 500 gestorben. Allein in Südkorea starben seit Mai 36 Menschen daran, 186 weitere erkrankten. Die koreanische Wirtschaft brach ein. «Ein Antikörper hätte diese Epidemie einschränken können», sagte Lanzavecchia der Nachrichtenagentur sda.
Angehörige behandeln
Denn die meisten der Ansteckungen seien bei Kontakten im Spital und zu Angehörigen erfolgt. «Mit Antikörpern hätte man die Patienten heilen und bei den Kontaktpersonen eine Postexpositionsprophylaxe machen können.» Dabei werden all jene behandelt, die vermutlich mit dem Erreger in Kontakt gekommen sind. So wird die Ausbreitung der Epidemie verhindert.
Antikörper sind Teil des Immunsystems und wehren im Körper Fremdstoffe ab. Sie werden etwa bei Impfungen gebildet. Der neue Mers-Antikörper konnte Mäuse von der Infektion heilen und zeigte sich wirksam gegen mehrere Virenstämme. Mers zählt wie viele Erkältungsviren und auch der Sars-Erreger zu den Coronaviren.
«Wir konnten zeigen, dass der Antikörper wirksam ist», sagte Lanzavecchia, Gründer der Spin-off-Firma Humabs BioMed, die den Antikörper isoliert hat. Er könne nun eigentlich klinisch weiterentwickelt werden. Die südkoreanische Regierung hätte Interesse bekundet, aber keine kommerzielle Firma.
Besser als Impfung
Sobald eine Epidemie abklinge, schwinde auch das Interesse daran, meint der Immunologe, der am Institut für Biomedizinforschung der USI und der ETH Zürich forscht. Das sei bei Sars so gewesen, gegen das ihr Labor ebenfalls einen Antikörper entwickelt hätte. Auch gegen Ebola hätte man lange vor der jüngsten Epidemie Antikörper herstellen können.
Krisenregionen hätten dann aus Vorratslagern versorgt werden können. «Solche Epidemien können ein Land stark destabilisieren. Antikörper sollten zumindest ein Teil von Plänen zu ihrer Vorbeugung sein», urteilte der Immunologe.
Seiner Meinung nach wären sie sogar besser geeignet, um tödliche Epidemien rasch zu unterdrücken, als Impfungen, deren Entwicklung sehr lange brauche. «Wir weisen nach, dass man einen Antikörper in kurzer Zeit zur klinischen Reife bringen kann», sagte Lanzavecchia. Die Entwicklung eines Medikaments aus dem Antikörper dürfte einige Millionen Franken kosten.
An der aktuellen Arbeit waren auch das britische Gesundheitsministerium sowie Forscher aus Grossbritannien und den USA beteiligt.