Das Schweizer Gesundheitswesen hat in einem internationalen Bericht sehr gute Noten erhalten. Aber im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sei es teuer und so für die unteren Einkommensschichten zum Teil nicht bezahlbar.
Der zweite Bericht des «European Observatory on Health Systems and Policies» wurde am Dienstag vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) veröffentlicht. Dieser nahm die jüngsten Entwicklungen in Sachen Organisation, Finanzierung, Pflegeangebote, Reformen und Effizienz im Gesundheitswesen unter die Lupe.
Die Ergebnisse in der Schweiz fallen verglichen mit den 28 EU-Mitgliedstaaten gemischt aus. Mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 82,8 Jahren im Jahr 2013 belegt die Schweiz den zweiten Platz hinter Island. Die Schweizer Männer leben somit vier, die Frauen fast drei Jahre länger als im europäischen Durchschnitt. Der Abstand nimmt noch zu, wenn man nur die Jahre in guter Gesundheit zählt.
Teuer
Aber das System hat seinen Preis: So beliefen sich 2013 die Gesundheitskosten in der Schweiz auf 11,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) – einem der höchsten Anteile verglichen mit dem europäischen Durchschnitt von 9,5 Prozent. Teurer sind nur noch die Niederlande und Frankreich.
Die Schweizer Haushalte müssen noch deutlich mehr bezahlen. Ihr Anteil an den gesamten Gesundheitsausgaben liegt bei 26 Prozent, während der Durchschnitt in der EU bei 16 Prozent liegt. Das liegt vor allem an den Behandlungen, die von den Krankenversicherungen nicht gedeckt werden, wie zum Beispiel der Zahnarztbesuch.
Die Untersuchung ergab, dass sich fast drei Prozent der Schweizerinnen und Schweizer im untersten Fünftel der Einkommensskala gewisse benötigte medizinische Untersuchungen nicht leisten können. Dieser Prozentsatz liegt deutlich über demjenigen in Österreich, Deutschland oder den Niederlanden.
Viel weniger Generika
Die Unterschiede beim Kauf von Medikamenten haben sich hingegen weitgehend ausgeglichen. Mit 562 Dollar pro Einwohner (bei gleicher Kaufkraft) im Jahr 2012 lagen hier die Ausgaben in der Schweiz unter denjenigen in Deutschland oder Frankreich.
Die grossen Bemühungen der letzten Jahre, die Detailpreise zu senken und den Einsatz von Generika zu fördern, hätten Wirkung gezeigt. Trotzdem bleibt der Anteil an Generika im Verhältnis zu allen verkauften pharmazeutischen Produkten mit 23,9 Prozent im Jahr 2013 in der Schweiz weit tiefer als in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Deutschland (78,2 Prozent im Jahr 2012) und Österreich (48,5 Prozent im Jahr 2012).
Erfreuliche Resultate gab es für den Schweizer Spitalsektor. So habe die Anzahl Akutspitäler zwischen 2000 und 2013 um 50 Prozent abgenommen, und die Anzahl Betten in diesen Betrieben sei während des gleichen Zeitraums um 20 Prozent zurückgegangen. Mit 2,9 Betten für 1000 Einwohner im Jahr 2013 lag die Schweiz hier unter dem EU-Durchschnitt von 3,6 Prozent.
Auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Schweizer Akutspitälern ging seit dem Jahr 2000 um 37 Prozent zurück und lag 2013 noch bei 5,9 Tagen. In der EU lag er bei 6,34 Tagen im Durchschnitt.
Verbesserungspotenzial
Auf dem ersten Platz in ganz Europa landete die Schweiz hingegen mit 17,7 Krankenpflegern (Hebammen inbegriffen) auf 1000 Einwohner im Jahr 2013 und auf dem zweiten hinter Monaco mit 4,1 Ärzten pro 1000 Einwohner.
Die Autoren sehen denn auch noch Verbesserungspotenzial im Schweizer Gesundheitssystem. In Bereich Finanzierungsgleichheit fordern sie die Schweiz auf, endlich die Versicherungskosten unter Kontrolle zu bringen und die Leistungen zu evaluieren, die übernommen werden sollen oder nicht. Auch ein verstärkter Kampf gegen nicht übertragbare Krankheiten wäre ein möglicher Weg.