Der Schweizer ÖV schneidet im europäischen Vergleich gut ab: Beim Angebot steht die Schweiz allein auf dem Gipfel. Die Preise dagegen sind laut einer Studie des Informationsdienstes für den öffentlichen Verkehr (LITRA) in sechs Jahren überdurchschnittlich gestiegen.
«Seit 2010 sind die ÖV-Preise in der Schweiz real um 18 Prozent gestiegen», heisst es in der Studie. Ähnliches lasse sich nur für Grossbritannien feststellen.
Zwar liegt die Schweiz kaufkraftbereinigt im preislichen Mittelfeld, wie es in einer am Mittwoch zur Studie versandten Mitteilung heisst. Doch ihre Position habe sich gegenüber der 2013 durchgeführten Vergleichsstudie punktuell verschlechtert.
«Insbesondere die Billettpreise für Erwachsene schneiden im Vergleich schlechter ab.» Dies sei auf zwei Faktoren zurückzuführen: auf Preiserhöhungen in der Schweiz und auf Preisvergünstigungen in den sechs anderen Ländern.
Dort versuchten die Unternehmen Kunden mit Sparbilletten zum Umsteigen auf den ÖV zu bewegen. Das Angebot an Sparbilletten sei aber überall «deutlich ausgebaut worden», auch in der Schweiz, schreibt LITRA.
Verglichen wurden die Preise mit Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Grossbritannien. Dabei wurden die Preise typischer Reisesituationen – etwa das tägliche Pendeln oder gelegentliches Reisen im ganzen Land – verglichen.
Preiserhöhung im Dezember
SBB-Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar war am Mittwoch in mehreren Zeitungen mit Interviews präsent. Ziel der SBB sei, die Bahntarife zumindest zu stabilisieren oder zu senken. Dies mit Hilfe der Digitalisierung, Automatisierung und von Innovation. Zudem brauche es eine gut überlegte Ausbaupolitik.
Zunächst werden mit dem Fahrplanwechsel im Dezember die Preise steigen, wegen der Erhöhung der Trassenpreise durch den Bund.
GA in Holland doppelt so teuer
In der Studie schneidet die Schweiz stellenweise auch deutlich besser ab. So ist das Generalabonnement in den Niederlanden mit umgerechnet 7815 Franken mehr als doppelt so teuer ist wie das GA (2. Klasse) mit 3655 Franken.
Damit lohnt sich das GA für einen Pendler auf der teuersten Strecke Zürich-Bern bereits ab einer Weglänge von 80 Kilometern, bei seinem holländischen Kollegen erst ab 130 Kilometern.
Ribars Vorgänger im SBB-Präsidium, Ulrich Gygi, hatte im Mai gefordert, Pendler im Besitz eines GA müssten stärker zur Kasse gebeten werden. Sie profitierten von einem sehr tiefen Kilometerpreis. «Logisch wäre aber, dass, wer mehr und längere Fahrten macht, auch mehr bezahlt.»
Insgesamt zeigte die Studie ein uneinheitliches Bild für die Schweiz: In Städten und zwischen zwei Städten reisen ÖV-Benutzer günstig, insbesondere mit Abonnementen. Senioren und Jugendliche, die gelegentlich in der Agglomeration unterwegs sind, bezahlen vergleichsweise viel. Im Durchschnitt liegen die Preise für Freizeitfahrten quer durch die Schweiz.
Top-Angebot
Die Autoren der Studie untersuchten auch die ÖV-Angebote. Und dort erreichte die Schweiz Spitzennoten. Angeschaut wurde nicht nur das Streckennetz der Bahnen, sondern auch Tram- oder Busverbindungen in Stadt und Land, die Umsteige- und Anschlussmöglichkeiten, kurz: die Angebotsdichte und der Grad der ÖV-Vernetzung. Dabei erhielt die Schweiz als einziges Land jeweils vier Punkte von möglichen vier.
Auch bei der Pünktlichkeit gab es eine Vier. Nur bei der Geschwindigkeit gab es für die bergige Schweiz eine Eins. Hier holten die Franzosen mit ihrem Hochgeschwindigkeitszug TGV als einzige eine Vier ab. Unter dem Strich erreichte die Schweiz 13 Punkte beim Angebot, Platz zwei erreichte Österreich mit neun Punkten. Fazit der Autoren: Das Preis-Leistungsverhältnis des Schweizer ÖV sei unverändert sehr gut.
Die Studie wurde im Auftrag der LITRA vom Forschungs- und Beratungsbüro Infras durchgeführt.