Die Schweizer Parteien haben unterschiedlich auf die Wiederwahl von US-Präsident Barack Obama reagiert. Da kein Machtwechsel und keine Auswechslung der Administration stattfindet, erwarten sie keine Veränderungen im Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA.
Toni Brunner, Parteipräsident der Schweizerischen Volkspartei, wollte die Präsidentschaftswahlen in den USA am Mittwoch nicht kommentieren. Enttäuscht über die Niederlage des Republikaners Mitt Romney äusserte sich hingegen Oskar Freysinger, Walliser SVP-Nationalrat und einer der Vizepräsidenten der Partei.
Mit Romney wäre der Druck auf die Schweiz im Steuerstreit vielleicht gesunken. Obamas Sieg überraschte Freysinger indessen nicht. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA dürften sich nicht ändern, vermutete er.
Kontinuität gewahrt
Die SP ist von der Wiederwahl des demokratischen Präsidenten befriedigt. Ihr Mediensprecher Jean-Yves Gentil sagte, die Partei erwarte, dass Obama aus Sicht der europäischen Linken „mehr mache“. Darunter fällt etwa die Schliessung des Gefängnisses in Guantánamo.
In den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA erwartet Gentil keine grossen Veränderungen. Die SP ziehe es jedenfalls vor, bei den hängigen Dossiers mit der bisherigen Equipe zusammenzuarbeiten.
FDP-Präsident Philipp Müller sagte, er hoffe, Barack Obama werde nun alle Reformen durchziehen, die ihm in der ersten Amtszeit nicht gelungen seien. Das Ende des Wahlkampfs werde es der Administration ermöglichen, sich wieder um die eigentlichen Probleme zu kümmern.
CVP-Präsident Christophe Darbellay zeigte sich mit der Wiederwahl zufrieden. Obamas zweite Amtszeit werde aber schwieriger als die erste. Das Wahlresultat sei knapper ausgefallen und Obamas Legitimität damit etwas verringert.
Adèle Thorens, Co-Präsidentin der Grünen, sagte, sie sei äusserst erfreut über den Wahlsieg Obamas, auch wenn in dessen erster Amtszeit Revolutionen für die Umwelt ausgeblieben sind. In Sachen Klimawandel gebe aber Obama mehr Anlass zum Optimismus als sein Konkurrent Romney.
US-Botschafter Beyer erfreut
Positive Reaktionen löste die Wiederwahl Obamas auch beim Botschafter der USA in der Schweiz, Donald S. Beyer, aus. Über das sehr gute Ergebnis von Barack Obama zeigte er sich „angenehm überrascht“.
Er sei während der ganzen Wahlnacht zuversichtlich gewesen, sagte Beyer der Nachrichtenagentur sda am Rande eines Anlasses, den die US-Botschaft am Mittwoch in Bern organisiert hatte. Die Umfragen in den einzelnen US-Bundesstaaten hätten für Obama gesprochen.
Die USA könnten nun die starken multilateralen Beziehungen mit der Welt weiter ausbauen, sagte Beyer. „Ich denke, auch die Beziehung mit der Schweiz wird sich intensivieren“. Er sei zuversichtlich.
Der nächste Test für diese Beziehung sei das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und den USA. Dabei hänge alles von der Debatte und dem Entscheid im US-Kongress ab, sagte Botschafter Beyer weiter. Er sei aber auch hier zuversichtlich, dass das Abkommen angenommen werde.
Gratuliert hat auch die offizielle Schweiz: Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf werde dem US-Präsidenten ein Gratulationsschreiben schicken, teilte das Eidg. Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit. Die Schweiz freue sich auf die Fortsetzung und auf eine Vertiefung der engen und vielfältigen Zusammenarbeit mit den USA.
Steuerstreit: Markwalder hofft auf Fortschritte im US-Senat
Mit den Wahlen habe sich das Schweizer Verhältnis zu den Vereinigten Staaten kaum geändert, sagte derweil Christa Markwalder, Präsidentin des Parlamentarischen Vereins Schweiz-USA. Sie hofft, dass das Doppelbesteuerungsabkommen vom US-Senat endlich abgesegnet wird.
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern seien bereits sehr gut, sagte die FDP-Nationalrätin am Mittwoch zur Nachrichtenagentur sda. „Dies hat sich in den vergangenen Monaten auch in Zahlen manifestiert, die Exporte und Direktinvestitionen florieren“, so Markwalder.
Auf politischer Ebene stehe man aber vor „ungelösten Problemen“, die eine konstruktive und pragmatische Lösung verlangten. Diese hätte man aber sowieso finden müssen – unabhängig vom Wahlausgang in den USA.