Die Schweizer Presse sieht die Wahl des Sozialisten François Hollande zum neuen französischen Präsidenten vor allem als Votum gegen den bisherigen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Unbestritten ist, dass der neue Staatschef vor grossen Herausforderungen steht.
Nicolas Sarkozy hinterlasse nach fünf Amtsjahren eine hohe Arbeitslosigkeit und rekordhohe Schulden, schreiben die Zeitungen „Tages-Anzeiger“ und „Der Bund“ in ihren Montagsausgaben. Der Entscheid für Hollande sei vor allem ein Entscheid gegen den unbeliebten konservativen Präsidenten gewesen.
Die Befürchtung, die Wahl des Sozialisten werde die Reformbemühungen in Europa zum Stocken bringen, seien unbegründet. Hollande werde „den Sparkurs Europas nicht unterminieren. Er wird ihn aber um eine Wachstumskomponente korrigieren wollen.“
„Groteske Realitätsverweigerung“
Die „Neue Zürcher Zeitung“ ist diesbezüglich weniger optimistisch. Die Wahl Hollandes sei auch Ausdruck einer verbreiteten Ablehnung der nötigen Sparmassnahmen und Strukturreformen, schreibt sie in ihrem Kommentar. Das Versprechen Hollandes, den Sozialstaat weiter auszubauen, und sein Verzicht auf konkrete Sparvorschläge stellten auch für Europa eine Gefahr dar.
Diskussionen über die richtige Balance zwischen Sparmassnahmen und Wachstumsstimulierung seien zwar unvermeidlich. „Doch wäre es fatal, wenn Hollandes Triumph im restlichen Europa als Signal verstanden würde, dass man die Sanierung der Staatshaushalte auf die lange Bank schieben kann.“
Auch die „Berner Zeitung“ warnt vor den wirtschaftlichen Problemen, die der neue Präsident anpacken müsse. Frankreich lebe über seine Verhältnisse, spreche aber nicht davon, heisst es im Kommentar. „Gerade Hollandes Wahlkampf trug (…) Züge grotesker Realitätsverweigerung.“
Chance verspielt
Sarkozy habe seine Wahlniederlage in erster Linie selber verschuldet, schreibt die „Basler Zeitung“. Er habe sich selbst in den Mittelpunkt gerückt und sich damit zur Zielscheibe für persönliche Anfeindungen gemacht.
Ob François Hollande mehr als eine Verlegenheitslösung sei, müsse er allerdings erst noch beweisen. „‚Antisarkozysmus‘ ist vielleicht ein Argument für Wahlen, aber sicher kein Programm.“