Der Brexit könnte für die Schweiz zur Chance werden. Gemäss einer Umfrage rechnet eine Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten mit wirtschaftlichen Vorteilen und sieht die Verhandlungsposition der Schweiz gegenüber der EU gestärkt.
54 Prozent der Befragten sind der Meinung, der Entscheid Grossbritanniens aus der EU auszusteigen (Brexit) werde sich positiv auf die Verhandlungen der Schweiz mit der EU auswirken. 38 Prozent befürchten Nachteile, 8 Prozent legten sich nicht fest, wie aus einer repräsentativen Studie von gfs.bern hervorgeht.
Was die wirtschaftlichen Perspektiven der Schweiz betrifft, sehen 10 Prozent «grosse Vorteile» und weitere 45 Prozent «eher Vorteile». Diesen insgesamt 55 Prozent Optimisten steht etwa ein Drittel Pessimisten gegenüber. 28 Prozent der Befragten sehen «eher Nachteile», 8 Prozent gar «grosse Nachteile». 9 Prozent gaben keine Antwort.
Die Credit Suisse, in deren Auftrag die Studie erstellt wurde, veröffentlichte die Vorauswertung des Sorgenbarometers 2016 am Sonntag. gfs.bern hatte dafür vom 4. bis 23. Juli 1010 Stimmberechtigte in Einzelinterviews befragt. Der Stichprobenfehler liegt bei +/- 3,2 Prozent.
Optimismus über Parteigrenzen hinweg
Der Optimismus überwiegt unabhängig davon, welcher Partei die Befragten angehören oder nahestehen: 54 Prozent der Wählerinnen und Wähler der SP, 53 Prozent der CVP-Anhänger, 59 Prozent der FDP-Wähler und 63 Prozent der SVP-Sympathisanten glauben an positive wirtschaftliche Folgen des Brexit für die Schweiz.
Damit ist auf der rechten Seite des Parteienspektrums die Zustimmung nur leicht höher als auf der linken. Am kritischsten sind Leute ohne Parteibindung. Dort machen die Optimisten nur 48 Prozent aus.
Auch in Bezug auf die Verhandlungsposition gegenüber der EU sind sich die Befragten über die Parteigrenzen hinweg erstaunlich einig. Grosse oder tendenzielle Vorteile sehen 51 Prozent (SP), 43 Prozent (CVP), 58 Prozent (FDP), 57 Prozent (SVP) sowie 41 Prozent der Ungebundenen.
«Es überrascht, dass die Parteibindung keine signifikanten Unterschiede zeigt, denn optimistische Stimmen wurden ja eher im politisch rechten Lager laut», wird Lukas Golder, Co-Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern, in der Mitteilung zitiert.
Wenn es um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative geht, zeigen die Resultate auch: Wer eine Kündigung der Bilateralen in Kauf nimmt oder gar befürwortet, ist deutlich optimistischer in Bezug auf die Verhandlungsposition der Schweiz.
Jüngere etwas pessimistischer
Zwischen verschiedenen Bildungs- und Einkommensstufen, sowie zwischen den verschiedenen Landesteilen gibt es kaum Unterschiede in der Einschätzung, wie die Auswertung zeigt. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen sind Befragte aus der französisch- und der italienischsprachigen Schweiz tendenziell leicht zuversichtlicher als die Deutschschweizer.
Grundsätzlich etwas pessimistischer schätzen jüngere Menschen die politischen Folgen des Brexit-Entscheids ein. Bei den 18- bis 29-Jährigen stehen 50 Prozent Zuversichtliche 47 Prozent Pessimisten gegenüber.
Bei den 40- bis 64-Jährigen schätzen 57 Prozent die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen insgesamt positiv ein. Bei den Befragten, die 65 Jahre und älter sind, sind es 52 Prozent. In dieser Gruppe gab es auch die meisten Enthaltungen. «Sie fühlen sich vielleicht effektiv weniger davon betroffen als die Jüngeren», heisst es in der Studie dazu.