Immer mehr Menschen verzichten aus Kostengründen auf den Gang zum Arzt. Zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung geben aber ihrem Gesundheitssystem insgesamt gute Noten – international gesehen ein Spitzenwert.
Zwischen 2010 und 2016 hat sich der Anteil Personen in der Schweiz, die aus finanziellen Gründen auf medizinische Leistungen verzichtet haben, mehr als verdoppelt, nämlich von 10 auf 23 Prozent. Nur in den USA bekunden noch mehr Menschen solche Schwierigkeiten, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Erhebung aus elf Ländern zeigt.
Die Befragung wird vom Commonwealth Fund alle drei Jahre bei Personen über 18 Jahren durchgeführt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die Resultate der Jahre 2016 und 2010 für die Schweiz verglichen. Demnach bezahlt in keinem anderen Land die Bevölkerung für die Gesundheit so viel aus der eigenen Tasche wie in der Schweiz.
In den letzten Jahren scheint zudem in der Schweiz die medizinische Grundversorgung schwieriger erreichbar geworden zu sein. So ging der Anteil der Befragten, die eine ärztliche Behandlung am Abend, am Wochenende oder an Feiertagen sehr leicht oder ziemlich leicht erhalten, von 42 auf 28 Prozent zurück.
Verhältnis zum Arzt eingetrübt
Von den rund 1500 Befragten in der Schweiz wenden sich 90 Prozent bei einem gesundheitlichen Problem zuerst an den Hausarzt oder ein Gesundheitszentrum. 2010 waren es noch knapp 94 Prozent. Damit rutscht die Schweiz im internationalen Vergleich vom vierten auf den zehnten Rang ab.
Im Vergleich zu 2010 bewerten die Befragten auch den Verlauf der Arztbesuche kritischer. So geben in der Schweiz 77 Prozent an, dass die Ärztin oder der Arzt ihre Krankengeschichte kennt. 2010 betrug dieser Anteil noch 90 Prozent. Dennoch sind fast zwei Drittel sehr zufrieden mit der Behandlung.
Der Anteil der Befragten, die in den letzten zwei Jahren einen Spezialisten aufgesucht haben, erhöhte sich von 44 auf 54 Prozent. Der Anteil Personen, die in den letzten zwölf Monaten mindestens zwei Ärzte konsultierten, stieg in ähnlichem Ausmass. Dieser Trend zu einer vermehrten Inanspruchnahme von Leistungen ist gemäss BAG in der Schweiz im Vergleich zu den anderen Ländern besonders ausgeprägt.
Hohe Zufriedenheit
Trotz diesen Entwicklungen sind in der Schweiz rund 60 Prozent der Befragten der Ansicht, dass das Gesundheitssystem im Grossen und Ganzen gut bis sehr gut funktioniert (2010: 46 Prozent). Ausserdem ist die Schweiz das Land, in dem die Qualität der medizinischen Versorgung am häufigsten als hervorragend oder sehr gut beurteilt wird.
Neun von zehn Befragten werten ihren eigenen Gesundheitszustand als gut bis ausgezeichnet. Damit liegt die Schweiz an der Spitze zusammen mit Neuseeland und Australien. 48 Prozent leiden an mindestens einer chronischen Erkrankung, wobei der Anteil der über 65 Jährigen hier deutlich höher ist.
Der Commonwealth Fund ist eine private, nicht-gewinnorientierte Stiftung, die die Förderung gut funktionierender und effizienter Gesundheitssysteme zum Ziel hat. An der Erhebung 2016 beteiligten neben der Schweiz Australien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Schweden und die USA.