Schweizer Zeitungen geben Abgeltungssteuer nur noch wenig Chancen

Nach dem Nein des deutschen Bundesrates zum Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland geben die Kommentatoren der Schweizer Zeitungen dem Modell der Abgeltungssteuer nur noch wenig Chancen.

Schweizer Zeitungen (Symboldbild) (Bild: sda)

Nach dem Nein des deutschen Bundesrates zum Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland geben die Kommentatoren der Schweizer Zeitungen dem Modell der Abgeltungssteuer nur noch wenig Chancen.

TAGESANZEIGER: „Das Konzept der Abgeltungssteuer ist gescheitert. Das Schweizer Konstrukt, das ermöglichen wollte, dass hinterzogenes Geld weiterhin bei den Banken versteckt werden kann und die Steuern anonym dem Fiskus im Heimatland überwiesen werden, setzt sich international nicht durch. (…) Also sollte die Schweiz möglichst rasch Verhandlungen auf Basis einer Steueramnestie für die Vergangenheit und eines möglichst einfachen automatischen Datenaustauschs für die Zukunft aufnehmen.“

DER BUND: „Die SPD pokert hoch: Sie will den automatischen Informationsaustausch. Diesen wird Deutschland möglicherweise in zehn Jahren erhalten. Aber kurzfristig kann der nördliche Nachbar die Schweiz nicht dazu zwingen, alle Informationen über die Geldanlagen deutscher Bürger freizugeben. Die Abgeltungssteuer ist momentan die beste Lösung; deshalb ist zu hoffen, dass der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat den Durchbruch bis Ende Jahr doch noch schaffen wird.“

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: „Wer meint, damit sei das ausgeklügelte Konzept einer Abgeltungssteuer schicklich beerdigt worden, liegt allerdings falsch. (…) Grossbritannien und Österreich halten dieses Vorgehen für zielführend. Ergo treten die mit diesen beiden Ländern abgeschlossenen Steuerabkommen auf Anfang 2013 in Kraft. Das ist die positive Nachricht, die den in Berlin säbelrasselnd zelebrierten Starrsinn konterkariert.(…) Wer die Schweizer Banken kollektiv in den Dunstkreis der organisierten Kriminalität rückt, verspielt seinen politischen Kredit.“

BERNER ZEITUNG: „Die SPD und die Grünen haben das Abkommen in einem ausgeprägten Mass aufgeladen und es zu einer Frage der Gerechtigkeit hochstilisiert. Mit den Schweizer Banken hatten die Spitzenpolitiker dieser beiden Parteien die perfekten Bösewichte gefunden, auf die sie wählerwirksam eindreschen konnten. In einem solchen Umfeld konnte das Abkommen nur scheitern.“

BASLER ZEITUNG: „Wie schön, dass noch Zuversicht herrscht bei den Schweizer Banken! Diese Zuversicht ist schwierig zu teilen, wenn man neben den durchaus vorhandenen innenpolitischen Motiven miteinbeziehen mag, in welchem Umfang sich die Banken als Steuerfluchthelfer moralisch verschuldet haben und wie sich ihnen gegenüber die Stimmung im Ausland in der aktuellen Finanzkrise (verständlicherweise) verschlechtert hat. Das Scheitern des Abkommens wäre ein Fanal für das Modell der Abgeltungssteuer.“

NORDWESTSCHWEIZ: „Innert 50 Minuten wischte der deutsche Bundesrat vom Tisch, wofür die Schweiz drei Jahre lang gekämpft hatte. Eine letzte Hoffnung für das Steuerabkommen liegt im Vermittlungsausschuss vom 14. Dezember. Die Frage lautet: Entscheiden die SPD-regierten Bundesländer pragmatisch?“

SÜDOSTSCHWEIZ: „Die Schweiz hat nicht nur innerdeutsche Befindlichkeiten falsch wahrgenommen, sie hat es auch verpasst, Anliegen von links aufzunehmen, um dem sozialdemokratischen Gerechtigkeitssinn zu entsprechen. Mit ihrer Ignoranz hat sie Chancen vertan, im eigenen Interesse das Maximum herauszuholen, und so linken deutschen Politikern wie Peer Steinbrück oder Norbert Walter-Borjans eine Plattform geboten. Weit dürfte der Abgeltungsweg nicht mehr führen. Die Zeichen stehen auf automatischem Informationsaustausch.“

ST. GALLER TAGBLATT: „Vordergründiger Verlierer des gestrigen Neins ist Deutschland. Steuervergehen verjähren, die auf zehn Jahre ausgerichtete rückwirkende Pauschalversteuerung von Guthaben deutscher Bürger in der Schweiz wie auch die neue reguläre Versteuerung von angelegten Vermögen würde – mindestens – ein Jahr später einsetzen. Deutschland dürften dadurch Milliarden entgehen.(…) Die Schweizer Banken wiederum werden ihr nachhaltiges Imageproblem nicht los. Und die einst freundnachbarlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz werden auf Dauer belastet.“

NEUE LUZERNER ZEITUNG: „Es ist ungewiss, ob das Modell der Abgeltungssteuer ohne Deutschland Zukunft hat. Ein erster Test kommt schon bald. Italien muss sich entscheiden, ob es trotz des deutschen Neins ein Abkommen mit der Schweiz abschliessen will. Krebst Rom zurück, wäre dies ein schlechtes Signal. Selbst wenn die Anfang 2013 in Kraft tretenden Abkommen mit Grossbritannien und Österreich die erwarteten Ergebnisse bringen sollten.“

BLICK: „Es braucht jetzt eine für alle Seiten möglichst faire Lösung für die Altlasten. Für die Zukunft braucht es ein Modell, das die versprochene Weissgeldstrategie glaubwürdig abbildet. Rasch wieder in Verhandlungen einsteigen. Am besten direkt mit der EU und nicht mit einzelnen Staaten. Auf vernünftige Banker hören, die sich schon länger auf einen wie auch immer gearteten automatischen Datenaustausch einstellen.“

LANDBOTE: „Unser Nachbar wäre bei der Bekämpfung der Steuerflucht einen Schritt weitergekommen; die Schweiz und ihre Banken hätten sich von Altlasten trennen und einen Schlussstrich unter ein unrühmliches Kapitel (…) ziehen können. Stattdessen stehen sie vor einem Scherbenhaufen, wenn nicht noch ein Vermittlungs-‚Wunder von Berlin‘ geschieht.“

LE TEMPS: „Der Moment für den Plan B ist gekommen. Offiziell gibt es diesen nicht. Diese Haltung machte während der Verhandlungen über die Abgeltungssteuer zwar Sinn. Heute ist sie aber hinfällig.“

TRIBUNE DE GENÈVE: „Das Abkommen muss nicht beerdigt werden.“ Das Vertragswerk habe einen heftigen Schuss vor den Bug erhalten, es betreffe aber nicht nur Deutschland. Am 1. Januar treten die Abkommen mit Österreich und Grossbritannien in Kraft, ruft die Zeitung in Erinnerung.

LE QUOTIDIEN JURASSIEN: Der Entscheid sei im Wahlkampf begründet, analysiert der Kommentator. „Die rot-grüne Opposition zog das Maximum aus der Polemik.“ Bern und Berlin glaubten nun weiterhin an ein Wunder im Vermittlungsausschuss. „Aber im gegenwärtigen politischen Klima vor dem Wahlkampf ist ein solches Wunder illusorisch.“

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