2012 war die Vorgabe hoch, das Resultat mit je zweimal Gold und Silber dafür überschaubar. Vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro setzt sich Swiss Olympic fünf Medaillen zum Ziel.
Rein an der Medaillen-Ausbeute gemessen war das Abschneiden der Schweizer Olympia-Delegation vor vier Jahren so schwach wie letztmals 1992, als Marc Rosset mit Gold im Tennis-Einzelturnier den zweiten «Nuller» nach jenem von 1908 in London verhinderte. «Wir haben nur wenige Athleten, die auf einem sehr hohen internationalen Niveau stehen. Genau sie müssen die Medaillen gewinnen», sagte Gian Gilli, der damalige Chef de Mission, vor vier Jahren in London in einem Interview mit der Nachrichtenagentur sda. «Sobald da etwas schief läuft, haben wir sofort eine Einbusse.»
Die Erwartungen vor Beginn der Sommerspiele 2012 waren ziemlich ambitioniert gewesen. Erst sollten es acht bis zehn Podestplätze sein, dann wurde das Ziel kurzfristig nach unten korrigiert.
Gillis Nachfolger Ralph Stöckli hat die Lehren aus zu viel Optimismus in der Vergangenheit gezogen. Der neue Delegationsleiter hat die Zahlen genau analysieren lassen. Aufgrund seiner Erkenntnis, wonach es für eine Medaille drei potenzielle Kandidatinnen oder Kandidaten braucht, sind fünf Top-3-Klassierungen ein durchaus realistisches Ziel.
Aus London bleibt unvergessen, wie mehrere «Garanten», die einen von ihnen sprichwörtlich auf der Ziellinie, abgefangen wurden: Roger Federer, dem im Final gegen Andy Murray nach dem Kraftakt in der Runde davor gegen Juan Martin Del Potro (19:17 im entscheidenden dritten Satz) nur Silber blieb – gleich wie Mountainbiker Nino Schurter.
Oder Fabian Cancellara, der nach seinem Sturz im Strassenrennen statt mit einer Medaille um den Hals mit einem Diplom im Zeitfahren Vorlieb nehmen musste. Die Liste von 2012 liesse sich um einige Beispiele erweitern. «Es bleiben nicht nur Medaillen, sondern eben genau solche Geschichten von Olympischen Spiele in Erinnerung», sagte Stöckli, ohne das falsch verstanden zu wissen.
Der St. Galler, als Curler zweifacher Olympia-Teilnehmer und Bronzemedaillen-Gewinner 2010, weiss um die Schwierigkeit, am Tag X die Bestleistung abrufen zu müssen. «Das wollen die anderen 10’500 Athleten auch.» Für Stöckli ist Rio de Janeiro eine «wunderbare Bühne für Sport-Geschichte, denn manche werden vielleicht mit einem Knall abtreten, der Stern anderer geht auf».
Manche Schweizer Medaillenkandidaten gehören zur Kategorie «übliche Verdächtige», manche haben sich mit ausserordentlichen Leistungen im letzten Jahr in eine Favoritenrolle gedrängt. Einige Beispiele:
Der Leichtgewichts-Vierer ohne Steuermann mit Mario Gyr, Simon Niepmann, Simon Schürch und Lucas Tramèr ist seit der letzten Saison das Mass der Dinge: EM- und WM-Titel sowie Sieg im Gesamtweltcup, dazu kommen die Wiederholung von EM-Gold und Rang 2 im Weltcup. Das Team nährte mit seinen Resultaten die Hoffnung, dass erstmals seit den Gebrüdern Gier 1996 in Atlanta wieder Schweizer Ruderer Olympiasieger werden.
Nach 28 Jahren ist erstmals wieder ein Männer-Team im Degenfechten an Olympischen Spielen teilnahmeberechtigt. Nach dreimal EM-Gold in den letzten vier Jahren zählt die Mannschaft auch in Rio de Janeiro zum Favoritenkreis. Zudem zeigte sich Max Heinzer im Juni an den kontinentalen Titelkämpfen im Einzel mit dem Gewinn der Silbermedaille in Olympia-Form.
Nino Schurter fehlt zur Komplettierung seines Olympia-Medaillensatzes im Cross-Country noch Gold. Im Weltcup ist der fünffache Weltmeister auf bestem Weg, seinen fünften Gesamtsieg einzufahren. Und Jolanda Neff hat sowohl mit dem Bike im Gelände als auch auf der Strasse die Chance auf eine Topklassierung.
Die Ansage von Triathletin Nicola Spirig («Ich werde die Fitteste sein im Feld») tönt wie eine Drohung an die Konkurrenz. Gold hat die 34-jährige Zürcherin in London bereits geholt. In Rio ist ihr zuzutrauen, dass sie es nicht mehr auf ein Herzschlagfinale wie vor vier Jahren mit der Schwedin Lisa Norden ankommen lässt.
Auch den Springreitern, im Teamwettbewerb und im Einzel, darf einiges zugetraut werden. Steve Guerdat hatte 2012 der Schweizer Delegation mit seinem Wunderpferd Nino des Buissonnets eine der zwei Goldmedaillen beschert. Im Optimalfall sind auch die Segler, Turnerin Giulia Steingruber oder Schützin Heidi Diethelm Gerber in Rio für Edelmetall gut.
Im Tennis ist die Schweiz nach den Absagen von Roger Federer, Stan Wawrinka und Belinda Bencic nur noch im Frauen-Einzel (Timea Bacsinszky als Nummer 12 gesetzt) und im Frauen-Doppel (Bacsinszky mit Martina Hingis als Nummer 5 gesetzt) vertreten.