Zum ersten Mal durchlaufen fünfzehn angehende Schweizergardisten eine Intensivausbildung im Tessiner Isone. Damit reagiert die «kleinste Armee der Welt» auch auf die veränderte Gefahrenlage im Vatikan und in Italien.
In schneller Folge knallen Schüsse am Waffenplatz in Isone TI. Abgefeuert wurden sie an diesem Dienstagmorgen aber nicht wie sonst von der Schweizer Armee, sondern von Rekruten der Schweizergarde. 15 junge Männer aus allen Landesteilen werden dort seit 1. November für ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet: Den Papst und seine Residenz zu schützen. Sie stehen damit in einer langen Tradition. Seit 1506 kommt die Päpstliche Schweizer Garde schon diesem Grundauftrag nach.
Vatikan im Wandel der Welt
Doch auch die jüngsten Terror-Ereignisse in Europa gehen nicht spurlos an der «kleinsten Armee der Welt» vorüber. Die Gefahrensituation im Vatikan und Italien habe sich geändert, sagte der Kommandant der Schweizergarde, Christoph Graf, am Dienstag vor den Medien in Isone.
Im Vatikan gebe es nicht ausreichend Platz, um Waffen- und Sicherheitsausbildungen zu durchlaufen. Bislang habe deshalb immer auf Einrichtungen in Italien zurückgegriffen werden müssen. Diese seien seit den Terroranschlägen in Brüssel und Paris aber vollständig von den italienischen Einsatzkräften belegt.
Die Schweizergarde unterzeichnete deshalb Ende September ein Abkommen mit der Tessiner Kantonspolizei, welche die angehenden Schweizer Gardisten nun neu unter ihre Fittiche nimmt. Logistische Unterstützung für das Vorhaben kommt vom Verteidigungsdepartement (VBS). «Wir sind mit offenen Armen empfangen worden», so Schweizergarde-Kommandant Graf.
Nahkampf und Nächstenliebe
Für die 15 angehenden Schweizergardisten sind die vier Wochen im Tessin alles andere als Ferienlager und «Dolce far niente»: Sie durchlaufen das Schusstraining, üben sich im Personenschutz und der Ersten Hilfe, proben den Brandschutz und werden in rechtlichen Fragen geschult. Im Kontakt mit den Ausbildern der Kantonspolizei lernen sie ausserdem Italienisch, denn nur einer der 15 Aspiranten kommt aus dem Tessin.
Dass sie ausser einem Ausflug zu den Burgen Bellinzonas das Bergdorf Isone nicht verlassen könnten, störe ihn nicht, sagte der Garderekrut Philipp Bischof. Das Programm sei sehr dicht und sie müssten Inhalte lernen, für die Polizeischüler ansonsten vertieft ein ganzes Jahr Zeit hätten.
Für die geistliche Begleitung der Rekruten ist der Kaplan Thomas Widmer zuständig. Er diskutiere mit ihnen über das Verhältnis von notwendiger Verteidigung und dem fünften Gebot «Du sollst nicht töten», sagte Widmer auf Anfrage. Ausserdem sei auch der Schwur eines jeden Schweizergardisten, sein Leben für den Papst zu lassen, ein Thema.
Ständige Nachwuchssuche
Die zukünftigen Soldaten des Vatikans sind noch bis zum 27. November im Tessin – dann geht es wieder zurück nach Rom, unter anderem für einen Italienisch-Intensivkurs. Inklusive der Ausbildungszeit verpflichten sich die Schweizer Gardisten für 26 Monate.
Jedes Jahr würden rund 30 neue Mitglieder benötigt, so der Schweizergarde-Kommandant Graf. Der Grossteil der ehemaligen Gardisten suche eine berufliche Zukunft im Bereich der Sicherheit.
Für das kommende Jahr rechnet die Tessiner Kantonspolizei erneut mit Besuch aus Vatikanstadt: Zwei identische Lehrgänge sollen dann für angehende Schweizer Gardisten angeboten werden.