Schwere Strassenschlachten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew

Nach Wochen angespannter Ruhe sind die Massenproteste in der Ukraine in schwere Gewalt mit über einem Dutzend Toten umgeschlagen. Sicherheitskräfte und Regierungsgegner lieferten sich am Dienstagabend am Unabhängigkeitsplatz in Kiew schwere Strassenschlachten.

Die Gewalt in Kiew eskaliert (Bild: sda)

Nach Wochen angespannter Ruhe sind die Massenproteste in der Ukraine in schwere Gewalt mit über einem Dutzend Toten umgeschlagen. Sicherheitskräfte und Regierungsgegner lieferten sich am Dienstagabend am Unabhängigkeitsplatz in Kiew schwere Strassenschlachten.

Auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) brannten Feuer, auch das Protestcamp stand in Flammen. Nach Behördenangaben vom Abend starben mindestens 18 Menschen – unter ihnen sieben Polizisten und elf Demonstranten. Mindestens 500 Personen wurden verletzt. Die meisten Toten wiesen Schusswunden auf.

Auslöser der Gewalt war offenbar ein Angriff auf eine Polizeisperre am Vormittag gewesen. Als Täter wurden entweder radikale Oppositionelle oder aber Provokateure auf Seiten der Staatsmacht genannt.

Das Innenministerium hatte kurz vor Beginn des abendlichen Einsatzes die noch zu Tausenden versammelten Regierungsgegner zum Verlassen des Platzes aufgefordert. Es folge eine «Anti-Terror-Operation», hiess es. Die Oppositionsführung rief Frauen und Kinder in ihren Reihen auf, den Platz zu verlassen. Bereits im Tagesverlauf war es zu schweren Strassenschlachten gekommen.

Ultimatum zur Räumung

Am Abend war ein Ultimatum der Staatsmacht zur Räumung des Maidan abgelaufen. Die ukrainische Protestbewegung wollte den seit November besetzten Platz nicht freigeben. «Wir sind hier auf dem Maidan und geben ihnen nicht die Möglichkeit, ihn zu säubern», sagte Klitschko vor dem abendlichen Einsatz der Polizei. Zugleich kündigte er neue Verhandlungen mit Janukowitsch für diesen Mittwoch an. Es dürfe zu keinem weiteren Blutvergiessen kommen, forderte Klitschko.

Auch in anderen ukrainischen Städten gab es Proteste und Berichte über Angriffe auf Regierungsgebäude. Die ukrainische Führung forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Gewalt von Regierungsgegnern zu verurteilen.

Internationale Besorgnis

Die Entwicklung löste international Besorgnis aus. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zeigte sich «ernstlich besorgt». «Ich appelliere an alle Seiten, auf Gewalt zu verzichten und rasch den Dialog wieder aufzunehmen», teilte er in Brüssel mit.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief zur «Zurückhaltung» und zu einem «wirklichen Dialog» auf. Die französische Regierung verurteilte die neuen Ausschreitungen und die «willkürliche Anwendung von Gewalt».

Die USA forderten Staatspräsident Viktor Janukowitsch auf, den Konflikt umgehend zu entschärfen. «Wir verurteilen weiterhin die Gewalt auf der Strasse und den übermässigen Einsatz von Gewalt auf beiden Seiten», sagte Regierungssprecher Jay Carney am Dienstag in Washington.

Burkhalter «schockiert und traurig»

Auch der Schweizer Bundespräsident und OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter äusserte am Dienstag seine tiefe Besorgnis über die Entwicklung in Kiew. Alle möglichen Schritte müssten unternommen werden, um die Gewalt zu stoppen, erklärte er.

«Ich war schockiert und traurig, als ich über das Blutvergiessen in den Strassen von Kiew erfuhr», liess sich Burkhalter in einem Communiqué der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zitieren. «Das ist eine sehr besorgniserregende Entwicklung.»

Burkhalter besprach die Lage in Kiew auch per Telefon mit dem ukrainischen Aussenminister Leonid Kozhara. Er bot dabei die Unterstützung und Expertise der OSZE an. «Alle Seiten sollten anerkennen, dass politische Diskussionen der einzige Weg sind, um diese Krise zu lösen.»

Die Ukraine wird seit Monaten von einem Machtkampf gelähmt. Die Opposition protestiert, seit Präsident Viktor Janukowitsch auf Druck Russlands ein weitreichendes Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hatte. Die Opposition verlangt Neuwahlen und eine neue Verfassung, die die Vollmachten des Präsidenten erheblich zugunsten des Parlaments beschneidet.

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