Der Streit um Vitus Huonders Aussagen über Homosexualität geht in die nächste Runde: Der Schwulenverband Pink Cross will Strafanzeige gegen den Bischof von Chur einreichen. Gerade unter Priestern finden sich zahlreiche Homosexuelle. Gesicherte Zahlen gibt es nicht.
Die Strafanzeige gegen Huonder soll am (morgigen) Montag bei der Staatsanwaltschaft Graubünden eingereicht werden, wie Pink Cross am Sonntag mitteilte. Sie werde von der Lesbenorganisation LOS unterstützt. Das Bistum Chur hat für die kommende Woche eine weitere Stellungnahme des Bischofs in Aussicht gestellt.
Pink Cross und LOS werfen Huonder vor, öffentlich zu Verbrechen aufzurufen. Der Bischof hatte vor Wochenfrist in einem Vortrag in Deutschland zwei Stellen aus dem Buch Levitikus zitiert – darunter folgenden Vers: «Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen. Beide werden mit dem Tod bestraft.»
Später relativierte Huonder seine Aussagen. Es handle sich um ein Missverständnis, das er bedaure. Er habe in keiner Weise homosexuelle Menschen herabsetzen wollen. Für Pink Cross hingegen spornt Huonder mit solchen Aussagen die Gläubigen indirekt dazu an, nach den Bibeltexten zu handeln.
Hoher Anteil an schwulen Priestern
Von Huonders Aussagen distanziert hat sich der St. Galler Bischof Markus Büchel. In einem Brief an die Seelsorgenden in seinem Bistum schreibt er, Menschen und ihre Beziehungen dürften nicht auf die Sexualität reduziert werden. Und er setzt die umstrittenen Bibelzitate in einen geschichtlichen Zusammenhang: «Unser heutiges Wissen um die Homosexualität als Anlage und nicht frei gewählte sexuelle Orientierung war zur Zeit der Bibel gar nicht bekannt.»
Zum Anteil homosexueller Amtsträger in der katholischen Kirche gibt es keine gesicherten Zahlen. Inoffizielle Schätzungen von Theologen gehen von einem Anteil von 20 bis 60 Prozent an Schwulen im Priesteramt aus. Der strittige Pfarrer von Röschenz BL, Franz Sabo, schätzt den Anteil auf rund 40 Prozent. «Ich bin seit über dreissig Jahren Priester, und da erhält man einen gewissen Einblick», sagte gegenüber der «Schweiz am Sonntag».
Den Grund für den mutmasslich hohen Anteil sieht er darin, dass die Kirche früher vielen Schwulen Schutz geboten habe – im Gegensatz zur protestantischen Kirche, wo faktisch eine Heiratsverpflichtung herrschte. «Zudem haben schwule Männer eine besondere Affinität zu Kunst, Ritualen und Ästhetik», sagte Sabo. In diesen Bereichen biete die katholische Kirche viel.
Franz Sabo hatte sich vor zehn Jahren mit dem Bistum Basel angelegt, worauf ihm der damalige Bischof Kurt Koch die Missio Canonica entzog.