Die Gruppenphase der Champions League findet mit grosser Wahrscheinlichkeit ohne die Young Boys statt. Die Berner verlieren das Playoff-Hinspiel gegen Borussia Mönchengladbach 1:3.
Die YB-Vertreter werden beklagen, dass Joker André Hahn ein irreguläres Tor erzielt hat. Der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli hat in einem kursweisenden Augenblick (68.) womöglich falsch entschieden. Aber allein mit dieser Szene ist die schmerzhafte Heimniederlage nicht zu entschuldigen.
Die Borussia, zuvor noch ohne Ernstkampf in dieser Kampagne, hinterliess mehrheitlich den besseren Eindruck. YB hingegen hatte vor und nach dem 1:1 Sulejmanis zwei erstklassige Chancen vergeben. Die fehlende Abgebrühtheit von Guillaume Hoarau wog womöglich schwerer als die umstrittene Szene vor dem 1:2.
Den bei rund 20 Millionen Franken dotierten Jackpot werden die Young Boys nicht mehr knacken. Im Borussia-Park ist Mönchengladbach eine Kapazität. Nur die Bayern und Dortmund hatten in den letzten Jahren zu Hause bessere Werte vorzuweisen. YB dürfte im vierten Anlauf erneut daran scheitern, im Konzert der europäischen Prominenz mitzuwirken.
Gladbachs Klasse
Beim Führungstor zelebrierten die Gladbacher das, was sie seit der von Lucien Favre eingeleiteten Ära so sehr von übrigen Teams ihres Preissegments abhebt. Ein Sprint im rechten Couloir, die blitzschnelle und präzise Verlagerung des Angriffs, ein Dribbling, der gekonnte und genaue Abschluss. Thorgan Hazard brillierte als Assistent, Raffael, der frühere FCZ-Stürmer und Borussia-Topskorer der letzten Saison, markierte das 1:0.
Titel und Trophäen haben beide Vereine seit über zwei Dekaden nicht mehr gewonnen. Doch zu vergleichen sind sie im Prinzip nicht. Die YB-Leidensgeschichte ist bekannt, die imposante Aufwärtstendenz der Borussia ebenfalls. Der Boom war auch in Bern zu spüren – gegen 8000 Anhänger der Borussia verlegten ihre Nordkurve flugs in die YB-Arena.
Derweil YB seit Jahren davon träumt, aus dem Schatten Basels zu treten und als fünfter Schweizer Klub in die europäische Königsklasse vorzustossen, ist die Nummer 4 Deutschlands unter normalen Umständen von ihrem direktem Kurs zur zweiten Champions-League-Teilnahme in Folge nicht mehr abzubringen.
Respekt und Einbruch
Der spektakuläre und durchaus bemerkenswerte Umschwung gegen Donezk hat in YB etwas ausgelöst. Der Klub ist in der Stadt wieder höher im Kurs als auch schon. Bereits im Derby gegen Thun (4:1) hatten die Anhänger das Stadion gefüllt, gegen die Borussia war das Stade de Suisse erneut fast ausverkauft.
Fahrt hatten die Berner in der Arena aber zu Beginn vor allem ausserhalb des Kunstrasens aufgenommen. Während den ersten 45 Minuten operierten die Gastgeber vorwiegend zurückhaltend. Zum einen liegen hinter Adi Hütters Equipe strapaziöse Wochen und eine Serie von gravierenden Ausfällen, andererseits war der Respekt vor der Konterstärke des spielerisch versierten Konkurrenten selbstredend begründet.
Was einem gegen eine Mannschaft vom Kaliber des VfL widerfahren kann, bekamen die Young Boys ausgerechnet in jenem Moment zu spüren, als sie sich kurzzeitig auf Augenhöhe wähnten. Als die Berner nach einer wunderbaren Kombination dank Miralem Sulejmani zum Ausgleich gelangten (56.) und kurzzeitig mehr riskierten, schlugen die Westfalen ohne Gnade zu. André Hahn und erneut Raffael, dessen Volley Rochat unhaltbar abfälschte, produzierten innerhalb von 120 Sekunden die entscheidende Doublette zum 3:1 (67.).
Die erstaunliche Breite der Borussia
Wie viel Substanz in der Borussia inzwischen steckt, verdeutlichte André Schubert mit seiner Startaufstellung. Auf den 12-Millionen-Mann Jannik Vestergaard verzichtete er, Mahmoud Dahoud, ein Mann mit ganz grosser Perspektive und vom Volumen her an guten Tagen mit Granit Xhaka zu vergleichen, sass ebenfalls auf der Ersatzbank.
Doch die Elf vom Niederrhein ist mittlerweile ein Ensemble, das internationale Breite und Reife zu bieten hat. Selbst den Umstand, praktisch von null auf 100 zu starten, steckte das Team der Schweizer Yann Sommer und Nico Elvedi nahezu problemlos weg.
Telegramm:
Young Boys – Mönchengladbach 1:3 (0:1). – 30’224 Zuschauer. – SR Rizzoli. – Tore: 11. Raffael (Hazard) 0:1. 56. Sulejmani 1:1. 67. Hahn (Stindl) 1:2. 69. Eigentor Rochat (Raffael) 1:3.
Young Boys: Mvogo; Sutter, Vilotic, Rochat, Lecjaks; Ravet, Gajic (73. Zakaria), Bertone, Sulejmani (86. Schick); Hoarau, Kubo (73. Frey).
Mönchengladbach: Sommer; Elvedi, Christensen, Jantschke; Traoré (79. Vestergaard), Strobl, Kramer, Wendt; Hazard (66. Hahn), Stindl (81. Johnson), Raffael.
Bemerkungen: YB ohne Von Bergen, Gerndt, Seferi, Sanogo, Joss, Benito (alle verletzt), Mönchengladbach ohne Schulz, Doucouré, Dominguez, Drmic (alle verletzt), Sow (nicht im Aufgebot). Verwarnungen: 29. Traoré (Hands), 39. Rochat, 40. Hazard (beide Foul).