Sein letztes Buch handelt von der Endlichkeit: Günter Grass ist tot

Mit der in 55 Sprachen übersetzten «Blechtrommel» schrieb Günter Grass Weltliteratur, als gesellschaftspolitischer Moralist erregte er Widerspruch. Am Montag erlag der Nobelpreisträger mit 87 Jahren im Kreise seiner Familie den Folgen einer Infektion.

Günter Grass an der Frankfurter Buchmesse 2006 (Bild: sda)

Mit der in 55 Sprachen übersetzten «Blechtrommel» schrieb Günter Grass Weltliteratur, als gesellschaftspolitischer Moralist erregte er Widerspruch. Am Montag erlag der Nobelpreisträger mit 87 Jahren im Kreise seiner Familie den Folgen einer Infektion.

«Sein letztes literarisches Werk soll im Sommer auf den Markt kommen.» Grass habe bis wenige Tage vor seinem Tod daran gearbeitet, sagte sein Verleger Gerhard Steidl. Bei dem Werk mit dem Titel «Vonne Endlichkait» handle es sich um ein literarisches Experiment. Darin habe Grass erstmals Prosa und Lyrik miteinander verschmolzen.

Steidl charakterisierte Grass als «leidenschaftlichen Büchermacher», dem das Malen und Zeichnen ebenso wichtig gewesen sei wie das Schreiben. Er sei fordernd, aber nicht anstrengend gewesen. Und er habe an Traditionen festgehalten: «Wann immer wir einen Arbeitstag beendet haben, es wurde zum Schluss ein Schnaps getrunken.»

Unversöhnliches Israel

Politik und Kultur würdigten Grass als literarische Instanz und streitbaren politischen Mahner. «Sein literarisches Vermächtnis wird neben dem von Goethe stehen», sagte die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters. «Mit dem Tod von Günter Grass verliert die Bundesrepublik Deutschland einen Künstler, von dem ich mit tiefem Respekt Abschied nehme», erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Kritische Nachrufe gab es dagegen aus Israel. Grass hatte die Politik der Regierung und die atomare Bewaffnung des Landes kritisiert, zuletzt in dem 2012 erschienenen Gedicht «Was gesagt werden muss».

Der Verband hebräischsprachiger Schriftsteller hielt Grass eine politische «Delegitimierungskampagne» vor. Dass er ausgerechnet das Land angegriffen habe, das als Heimstätte für das jüdische Volk gegründet worden war, sei namentlich angesichts seiner Vergangenheit in der Waffen-SS «unverzeihlich».

Grass hatte seine kurze Zugehörigkeit zu der Organisation erst 2006 in der Autobiografie «Beim Häuten der Zwiebel» eingestanden. Viele warfen ihm darauf mangelnde moralische Integrität vor.

Der Epiker des 20. Jahrhunderts

Grass war der weltweit wohl bekannteste deutsche Schriftsteller der Gegenwart. Gleich sein erster Roman «Die Blechtrommel» geriet 1959 zum Welterfolg. 40 Jahre später wurde Grass für sein Gesamtwerk mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Das Nobelpreis-Komitee lobte «Die Blechtrommel» als die «Wiedergeburt des deutschen Romans im 20. Jahrhundert».

«Die Blechtrommel» erzählt die Geschichte der Familie von Oskar Matzerath, der sich mit drei Jahren weigerte, weiter zu wachsen, von 1899 bis in die 1950er Jahre. Das Erscheinen des Bildungs- und Schelmenromans rief in der Bundesrepublik manche Sittenwächter auf den Plan, die sich an den teils deftigen erotischen Szenen störten.

Katz, Maus, Hund, Schnecke, Fisch, Ratte, Krebs

Grass hatte nach dem Krieg eine Steinmetzlehre gemacht und Kunst studiert. Nach seiner Heirat 1954 mit der Lenzburger Tänzerin Anna Schwarz begann er – teilweise in der Schweiz – mit Vorarbeiten zu «Die Blechtrommel». Ein dreijähriger Bub mit Blechtrommel soll den Autor bei einem Besuch bei der Aargauer Schwiegerfamilie zu seinem kleinen Romanhelden inspiriert haben.

«Die Blechtrommel» bildet zusammen mit der Novelle «Katz und Maus» (1961) und dem Roman «Hundejahre» (1963) die Danziger Trilogie. Zudem hat Grass eine Trilogie der Erinnerung geschrieben mit den autobiografischen Bänden «Beim Häuten der Zwiebel» (2006), «Die Box» (2008) und «Grimms Wörter» (2010).

Weitere wichtige Werke sind die Novelle «Aus dem Tagebuch einer Schnecke» (1972), die Romane «Der Butt» (1977) und «Die Rättin» (1986), der Wiedervereinigungs-Roman «Ein weites Feld» (1995) sowie die Novelle «Im Krebsgang» (2002) über das Leid der Deutschen im selbstverschuldeten Zweiten Weltkrieg am Beispiel des Untergangs des Schiffes «Wilhelm Gustloff».

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