Im Schlager gegen Frankreich geht es für die Schweizer heute um 21 Uhr um mehr als um den Achtelfinal-Vorstoss. Sie können sich mit einem Sieg für den weiteren WM-Verlauf optimal positionieren.
An einer Endrunde zählt auch das grosse Bild. Die Frage wird deshalb sein, ob die Schweizer mit aller Kraft mehr als ein Remis anpeilen. Dem Sieger der Gruppe E bliebe im Achtelfinal vermutlich ein Rencontre mit dem Titelkandidaten Argentinien erspart. Doch die Gewissheit, dass der Schweizer Nati in jedem Fall zwei Remis zum Vorstoss unter die Top 16 genügen, könnte in der Strategie der Schweizer ebenfalls eine Rolle spielen.
Drei der letzten Begegnungen mit den Franzosen in einer WM-Kampagne endeten unentschieden. In den Jahren nach dem 0:0 an der Endrunde in Deutschland sind primär «Les Bleus» von der Ideallinie abgekommen, derweil die Schweiz unter Ottmar Hitzfeld sich international ein respektables Rating erarbeitet hat. Die Konstanz ist bemerkenswert. Innerhalb von 24 Monaten bezog sie nur zwei Testspiel-Niederlagen. Seit dem letzten WM-Out verloren die Schweizer nur sechsmal.
Hitzfeld hat 50 Prozent seiner 58 Spiele als SFV-Selektionär gewonnen. Im letzten Abschnitt seiner Welt-Karriere verspürt er die Lust, noch einmal Geschichte zu schreiben. Das Timing könnte stimmen, der Rahmen passt. Im Kader steckt Qualität, die Gruppendynamik ist positiv.
Im Vergleich zur missratenen WM-Mission in Südafrika ist der Coach in Hochform. Im Startspiel wechselte er quasi den Erfolg ein. Der Star-Trainer reagierte beim ersten WM-Auftritt nach 45 eher ungenügenden Minuten richtig – und er zögerte nicht, von seiner Erstwahl abzurücken. Hitzfelds Flexibilität auf hohem Niveau wird in den nächsten zehn Tagen entscheidend sein.
Im Team der Schweizer herrscht keine sterile Atmosphäre. Die Equipe besitzt Temperament. Das Adrenalin ist spürbar. Leader wie Lichtsteiner oder Behrami leben von ihren Emotionen, Xhaka oder Shaqiri von ihrem Instinkt. Sie alle sind nicht stromlinienförmig. Sie benötigen zwar immer auch eine kluge taktische Vorgabe oder je nach Verlauf verschiedene spielerische Optionen, aber vieles spielt sich auf der mentalen Ebene ab.
Beim 2:1 gegen Ecuador war die Art und Weise, wie die Schweiz bei nicht zu unterschätzenden südamerikanischen Bedingungen bis zur letzten Sekunde alles unternahm, um den maximalen Ertrag zu erzielen, durchaus beeindruckend. Für die imposante Leidenschaft und physische Substanz der multikulturellen Auswahl steht Valon Behrami. Der Tessiner setzte in der Overtime alles auf eine Karte – Grätsche, Sprint, Sturz, Comeback, Pass, 2:1. Sein Kraftakt steht für das Credo der SFV-Vertreter: «Wir setzen uns keine Grenzen.»
Die Schweizer sind vollgepumpt mit Selbstvertrauen. Dank Nuancen ist die Ausgangslage eine komplett andere. «Hätten wir das 2:1 nicht gemacht und stattdessen verloren, was uns durchaus hätte passieren können, wären wir jetzt am Boden, ohne Kraft, ohne Perspektiven. Jetzt aber zehren wir von diesen unglaublichen letzten 30 Sekunden gegen Ecuador», bekräftigt Behrami und macht einen nicht unerheblichen Nachtrag: «Aber was vorher ungenügend war, ist zu verbessern.»