Selbstinterviews mit Ironie

Mit sich selbst geführte Interview liegen im Trend, hat TagesWoche-Redaktor Michael Rockenbach rausgefunden. Leser Alois Karl Hürlimann sieht darin eine neu erfundene Form der Kommunikation. Wunderbar, Herr Rockenbach, was Sie sich als Interviewfragen an sich selber ausgedacht haben! Den Selbstinterviewversuchen mächtiger oder gerne mächtiger werdender Männer (meistens handelt es sich dabei ja um Männer) aus […]

Mit sich selbst geführte Interview liegen im Trend, hat TagesWoche-Redaktor Michael Rockenbach rausgefunden. Leser Alois Karl Hürlimann sieht darin eine neu erfundene Form der Kommunikation.

Wunderbar, Herr Rockenbach, was Sie sich als Interviewfragen an sich selber ausgedacht haben!

Den Selbstinterviewversuchen mächtiger oder gerne mächtiger werdender Männer (meistens handelt es sich dabei ja um Männer) aus Politik und Wirtschaft sollte man im Interesse der Faktizität innerhalb der öffentlichen «Kommunikation» am besten mit Ironie begegnen. Und zwar aus folgenden Gründen:

  • «Kommunikation» im Bereich des Politischen und des Wirtschaftlichen besteht nicht darin, dass – zum Beispiel – Journalisten ohne mit ihren Wimpern zu zucken einfach weitertransferieren, was ihnen von Mächtigen oder Gernemächtigen diktiert wird. Kommunikation ist mehr als «Verkündigung».
  • Wenn Politiker oder Wirtschafts«führer» Fehler machen, lassen sie durch ihre «Sprecher» immer erklären, es habe an der richtigen «Kommunikation» gemangelt, man habe «Kommunikationsfehler» gemacht usw. Es geht dabei darum, offenkundige Fehler oder auch falsche Reaktionen auf irgendwelche politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Phänomene nicht als solche erscheinen zu lassen. Man habe Handlungen bloss «falsch» oder «fehlerhaft» kommuniziert. Gehandelt habe man fehlerfrei, mindestens «den Umständen» richtig angepasst. Die «Öffentlichkeit« habe das nur nicht richtig verstanden.
  • Mächtige sind sich gewohnt, dass man ihnen nicht widerspricht. Sie sind in ihrem zu beobachtenden alltäglichen Selbstverständnis sehr oft «souverän» handelnde Personen. Das heisst: Sie handeln nach Kriterien, welche ihnen versprechen, die erreichte Macht behalten zu können. Das mag zu Beginn einer Tätigkeit im Bereich von Machtausübung anders sein, da hat eine mächtige Person manchmal durchaus Ideen, welche Veränderungen – auch allgemein anerkannte notwendige Veränderungen – sie antreiben und sogar durchführen will. Das Problem für Mächtige besteht aber vor allem darin, dass sie nie sicher sein können, ihre Macht auch ungekürzt, unverändert, quasi selbstverständlich so lange behalten zu können, wie sie es möchten. In offenen Gesellschaften ist solcherlei aber schlicht nicht möglich, allein schon wegen des inzwischen mehr oder weniger freien Informationsflusses in unseren Breitengraden.
  • Deshalb bedeutet der Begriff «Kommunikation» für Mächtige sehr oft nur eines: Propaganda zu Gunsten der eigenen Machterhaltung.

Was Blocher etwa bezüglich der BaZ mit Hilfe seiner finanziellen Möglichkeiten zur Zeit vorführt, ist geradezu ein Paradebeispiel für dieses Bemühen. Was Herr Reber in seinem Interviewversuch mit sich selber vorführt, ist im Grunde genommen eine Blocheriade auf Sparflamme – er kann schliesslich nicht mit Millionen aus der eigenen Tasche aufwarten. Also begibt er sich, an sich ausgestattet mit amtlicher Kommunikationshilfe, auf die Ebene eines «gewöhnlichen» Bloggers und erklärt, er sei im realen Interview falsch befragt worden und müsse die «Kommunikation» mit den Bürgerinnen und Bürgern deshalb selber, auf ihrer Bürgerebene nämlich, zur Hand nehmen, indem er zeige, wie der journalistisch töätige Interviewer gestrickt sei.

Dass er und sein Regierungskollegium seit Jahren das, was in der Öffentlichkeit zunehmend kritisiert wird, eine unsoziale, fragwürdige und wenig vorausschauende Austeritypolitik nämlich, sehr wohl propagiert, also bekannt gemacht hat, geht in seinem Interviewversuch völlig unter, weil es nicht vorkommt. Dass Kritik an dieser Politik und damit ein Potential, dass sie «abgewählt» werden könnte, berechtigt sein könnte, kommt ihm nicht in den Sinn. Dass er selber vor den letzten Wahlen diese Kritik wenigstens teilweise deutlich formuliert und zu Gunsten eines inhaltlichem Umsetzungsversuch gewählt worden ist: Nein, er will es nicht wahrhaben, dass er sich innert kürzester Zeit von diesen Positionen, seinen verkündeten Positionen, verabschiedet hat.

«Kommunikation» allerdings prägt das momentane Zeitalter. Das vorangehende war geprägt durch PR – wenn ich da bloss an das Phänomen Fernsehen mit seiner zur Passivität verdammten Zuschauerinnen und Zuschauer denke, die mit ungeheuer ausgedehntem Werbemüll jeglicher, auch politischer Art vollgestopft wurden. «Kommunikation» heute hat die Chance, demokratischer zu werden. Die technologischen Möglichkeiten dafür sind eingeführt, werden ausgebaut, verändern «die Kommunikation» weg von hierarchischer Oben-Unten-Struktur hin in die Breite.

Lieber Herr Rockenbach, stellen Sie bitte weiterhin unangenehme Fragen, greifen Sie weiterhin das auf, was viele, nicht alle, aber viele Menschen sowohl lokal als auch in grösseren Zusammenhängen beschäftigt. Sie leisten einen fundierten Beitrag zur «Kommunikation».

Alois Karl Hürlimann hat seinen Text als Kommentar auf den Artikel «Selbst gebastelt machts viel mehr Spass» geschrieben.

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