Matthias Sempach strebt am Wochenende in Estavayer mit aller Macht seinen zweiten Königstitel nach Burgdorf 2013 an. Sein Double wäre in der Geschichte des Schwingsports etwas Einmaliges.
Als er in Burgdorf triumphierte, war der Emmentaler, der im Oberaargauer Verband schwingt, 27 Jahre alt. Man muss 60 Jahre zurückblättern, um auf einen Schwinger zu stossen, der in einem höheren Alter erstmals Schwingerkönig wurde. Der Basler Eugen Holzherr war 28, als er 1956 in Thun zum ersten, aber auch letzten Mal Schwingerkönig wurde. Sempach könnte in Estavayer der älteste Schwinger werden, der sich zwei Königstitel nacheinander sichert. Die sieben bisherigen Gewinner des bemerkenswerten Doubles – alle waren sie beim zweiten Triumph jünger als Sempach – waren der Reihe nach die Berner Hans Stucki (1902), Robert Roth (1921) und Hans Roth (1931), dann der Winterthurer Karl Meli (1964), der Berner Rudolf Hunsperger (1969), der Appenzeller Ernst Schläpfer und schliesslich der Toggenburger Jörg Abderhalden (2007). Es sind lauter illustre Namen, unter denen sich auch Matthias Sempach gut machen würde.
Viele erstklassige Tennisspieler bereuen es heute, dass ihre beste Zeit ausgerechnet in die Ära der absoluten Dominatoren wie Roger Federer, Rafael Nadal oder derzeit Novak Djokovic fiel, die die meisten wichtigen Siege unter sich aufteil(t)en. Mit dem Schwingsport verhält es sich ähnlich. Für einen Schwinger ist es sogar noch schlimmer, in der Ära von Überschwingern kämpfen zu müssen. Denn im Unterschied zum Tennis, bei dem sich jährlich vier Chancen an Grand-Slam-Turnieren bieten, steht für den Schwinger der absolute Höhepunkt, das Eidgenössische, nur alle drei Jahre im Programm.
Sempach war 2004 in Luzern mit 18 Jahren noch sehr jung, dafür 2007 in Aarau schon sehr gut. In Aarau erlebte man aber den letzten Auftritt der nahezu unbesiegbaren Nordostschweizer Troika Arnold Forrer/Stefan Fausch/Jörg Abderhalden. Sempach war als einer der Exponenten der damals relativ schwachen Berner Mannschaft so gut wie chancenlos.
Das Eigentor von Frauenfeld
2010 in Frauenfeld wäre Sempach für das königliche Eichenlaub reif gewesen. Er war jetzt im besten Alter und zudem in blendender Verfassung. Die Nordostschweizer waren zurückgetreten (Fausch) oder drei spürbare Jahre älter geworden (Forrer, Abderhalden). Der Schwinger aus der kleinen Bauerngemeinde Alchenstorf im nördlichsten Zipfel des Emmentals zählte jedenfalls zu den ersten Favoriten. Gerade als er nach einem «normalen» Gestellten gegen Philipp Laimbacher dabei war, eine Aufholjagd zu starten, kam der verhängnisvolle 3. Gang am Samstagnachmittag. Gegen Michael Bless setzte Sempach zu einem üblicherweise entscheidenden Schwung an. Der Appenzeller nahm den Schwung geschickt mit, sodass Sempach unversehens selber auf dem Rücken landete. Gäbe es im Schwingen Eigentore, so wäre dies eines gewesen. Jetzt hiess es wieder, drei Jahre zu warten, auf Burgdorf 2013.
Je öfter er das höchste Ziel verpasst, umso schwieriger wird es für den Schwinger, es jemals zu erreichen. Sempachs Triumph in Burgdorf mit acht Siegen in acht Gängen war vor diesem Hintergrund besonders bemerkenswert. Der Königstitel für einen Spätberufenen.
Drei Saisonsiege
Sempachs Saison 2016 war bislang gut und eines Königs würdig, aber nicht herausragend. Sie kommt nicht an Jörg Abderhaldens Jahr 2007 heran, als der Toggenburger vor seinem dritten eidgenössischen Triumph in Aarau sechs Kranzfeste gewann. Sempach siegte heuer dreimal, nämlich an den Bergfesten Schwarzsee und Rigi sowie am eigenen Gauverbandsfest, dem Oberaargauischen. Die Teilnehmerfelder am Schwarzsee wie auch am Oberaargauer Fest in Hindelbank waren von sehr hoher Qualität.
Für Matthias Sempach spricht, dass er in dieser Saison überhaupt derart früh wieder eine dominierende Rolle übernehmen konnte. Denn ab Ende Mai 2015 hatte er wegen einer gravierenden Fussverletzung und danach wegen einer Bauchmuskelzerrung ziemlich genau ein Jahr aussetzen müssen. Die Voraussetzungen für die Saison waren nicht ideal. Derzeit jedoch ist der König wieder auf dem Thron. Und er ist bereit, alles zu tun, dass keiner zu fest daran rüttelt.