Die Volksinitiative, die infolge der sogenannten Basler Sexkoffer-Affäre von 2011 Vorschriften zum Aufklärungsunterricht in der Verfassung verankern will, findet beim Bundesrat keinen Anklang. Er empfiehlt die Initiative zur Ablehnung.
Wie an den Schulen Sexualkundeunterricht erteilt wird, soll weiterhin Sache der Kantone sein. Eine Volksinitiative, die Vorschriften zum Aufklärungsunterricht in der Verfassung verankern will, empfiehlt der Bundesrat ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung.
Er überwies am Freitag die Botschaft zur Initiative «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» ans Parlament. «Aus übergeordnetem Interesse am Kindeswohl» empfiehlt die Regierung, das Volksbegehren abzulehnen. Die Initianten handelten «unverantwortlich», heisst es in den Schlussfolgerungen der Botschaft.
Eine Annahme der Volksinitiative würde die Prävention behindern und die Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler vermindern, schreibt die Regierung in der Botschaft. Ein generelles Verbot eines obligatorischen Sexualkundeunterrichts wäre mit dem Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit nicht vereinbar.
Verbot für Unter-12-Jährige
Die Initiative «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» verlangt namentlich, dass erst über 12-jährige Kinder obligatorisch über menschliche Fortpflanzung und Entwicklung unterrichtet werden dürfen. Zwischen dem neunten und dem zwölften Altersjahr könnte Sexualkundeunterricht freiwillig angeboten werden.
Für jüngere Kinder wäre Sexualkundeunterricht gemäss der von rechtskonservativen Kreisen lancierten Initiative verboten. Prävention gegen Kindesmissbrauch dürfte auch in Kindergärten und in den untersten zwei Primarklassen angeboten werden, aber ohne dass Sexualkunde zur Sprache kommt.
Unterricht schützt Kinder
Der Bundesrat hält in der Botschaft fest, dass bereits heute im Kindergarten und bis gegen Ende der Primarschule kein obligatorischer Sexualkundeunterricht und keine Aufklärung im eigentlichen Sinne stattfinde. «Die Sexualerziehung der Kinder und Jugendlichen liegt in der primären Verantwortung der Eltern.» Daran solle sich auch in Zukunft nichts ändern.
Gegen Ende der Primarschule allerdings sind schulische Präventionsmassnahmen und ein Sexualkundeunterricht aus Sicht des Bundesrats unverzichtbar. «Sie schützen Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt, vor sexuell übertragbaren Krankheiten und unerwünschten Schwangerschaften.» Zudem profitierten vom Unterricht alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Situation im Elternhaus.
Zudem obliege die Volksschule der Kompetenz der Kantone und Gemeinden. Diese nähmen die Bedenken gegen einen nicht altersgerechten Sexualkundeunterricht ernst. Die Initiative bekämpfe Ziele, die weder von den Bildungsbehörden noch von den Schulen angestrebt würden.
Sex-Koffer als Anstoss für Initiative
Einen Anstoss zu der Ende 2013 eingereichten Initiative gab der so genannte Basler Sex-Koffer mit Aufklärungsmaterial, der 2011 in die Schlagzeilen gekommen war. Dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) werfen die Initianten zudem vor, unter dem Vorwand der Aidsprävention Sexualkundeunterricht für kleine Kinder forcieren zu wollen.
Der Bundesrat bezeichnet die Annahme der Initianten, es würde obligatorischer Sexualkundeunterricht bereits im Kindergarten eingeführt, als «Irrtum».
Zustande kam das Volksbegehren indes erst im zweiten Anlauf. Die Unterschriftensammlung zu einer ersten Initiative gleichen Inhalts wurde eingestellt, nachdem bekannt geworden war, dass ein Mitinitiant einige Jahre zuvor wegen Kindsmissbrauchs verurteilt worden war. In der Folge zog sich dieser aus dem Initiativkomitee zurück. Das Komitee startete die Unterschriftensammlung in leicht geänderter Zusammensetzung ein zweites Mal.