Auf einer Position sind die Schweizer seit bald einer Dekade und wohl auch in den nächsten Jahren nahezu sorgenfrei: Die SFV-Torhüter gehören in ihrer exponierten Branche zur oberen EM-Tableauhälfte.
Von der Performance des Keepers hängt relativ viel ab. Er ist zum einen Dirigent, andererseits kann er das Spiel im richtigen Moment auch beruhigen. Er verhilft dem Team mit einem Big Save womöglich zur Chance, den Unterschied zu erzwingen, oder reisst mit einer einzigen Unachtsamkeit alle in den Abgrund.
«Bis jetzt ist noch niemand mit einem schlechten Torwart Europameister geworden», verdeutlicht Marwin Hitz, hinter Yann Sommer und Roman Bürki der prominente Backup, den Stellenwert seiner Gilde.
In Deutschland, im Land der zahllosen grossen Goalie-Persönlichkeiten, geniesst das Trio des Schweizer Nationalteams höchstes Ansehen. Sommer ist bei Borussia Mönchengladbach innerhalb von 24 Monaten zu einer Schlüsselfigur aufgestiegen. In Dortmund stoppte Bürki beim einzigen seriösen Bayern-Verfolger nicht nur die Bälle, sondern auch die voreiligen Kritiker. Und Hitz hielt den temporär taumelnden Augsburgern mit 127 Paraden die Abstiegssorgen phasenweise im Alleingang vom Leib.
Es kursieren verschiedene Versionen, weshalb derzeit gleich drei Schlussmänner gehobener Klasse zur Verfügung stehen. Patrick Foletti, in der Nationalmannschaft Trainer und erster Ansprechpartner von Sommer und Co., misst der «Mutter Natur» eine entscheidende Rolle zu: «Die drei Herren sind riesige Talente. Ohne Begabung kommt man auch mit den weltbesten Strukturen nicht weit.»
Aber seine Analyse reicht selbstredend weiter: «Das taktische Verständnis zählt, die konditionellen Aspekte sind wichtig, die technischen Fertigkeiten müssen stimmen.» Der Tessiner mit mehrjähriger GC-Vergangenheit weiss aus eigener Erfahrung, welchem Druck Sportler auf neuralgischen Positionen ausgesetzt sind: «Man kann sich kaum vorstellen, was es heisst, jeden dritten Tag dem mentalen Druck standhalten zu müssen.»
Keine Ränkespiele
Die Ausbildung hat sich in jüngerer Vergangenheit markant verändert, die Challenge wurde grösser. «Das Spiel ist komplexer als früher», doziert Foletti und hat im physischen Bereich «erhebliche Fortschritte» registriert. Die Methodik im Training habe sich im Grundsatz verändert.
In den Worten Folettis klingt das so: «Früher machte der Torhüter auch Waldläufe. Das wäre etwa so, als hätte Usain Bolt mit Viktor Röthlin trainiert.» Nicht nur in der Leichtathletik sind die Profile der Sportler teilweise grundverschieden, im Fussball hat der Feldspieler zumindest während der Vorbereitung wenig mit seiner defensiven Absicherung zu tun.
Wesentlich intensiver und hierarchisch organisierter verläuft in der Regel die Zusammenarbeit der drei Keeper. Die Rollen sind auf Nationalmannschaftsebene naturgemäss diskussionslos verteilt – zumal vor einer Endrunde.
Sommer ist gesetzt, Bürki im Notfall sein Stellvertreter, Hitz komplettiert die Gruppe. Spielraum für Ränkespiele ist keiner vorgesehen. Fixstarter Sommer spricht von einem «gesunden Konkurrenzverhalten.» Die gegenseitige Akzeptanz ist spürbar, weil jeder die gute Klub-Statistik des anderen und dessen Wertschätzung im Alltag kennt.
Seit dem Rückzug der früheren Nummer 1 Diego Benaglio nach der WM 2014 in Brasilien vertraut Vladimir Petkovic Yann Sommer. Sein Status gilt als unbestritten. Und doch sagt der 27-Jährige: «Druck hat man im Fussball immer.»