Sibel Arslan: «Es ist nicht endgültig entschieden»

Der Entscheid zur Verfassungsänderung in der Türkei fällt denkbar knapp aus. Die Basler Nationalrätin Sibel Arslan, die in Istanbul weilt, erklärt den Stand der Dinge.

Unterstützerinnen des Referendums jubeln auf den Strassen Istanbuls.

(Bild: EMRAH GUREL)

Der Entscheid zur Verfassungsänderung in der Türkei fällt denkbar knapp aus. Die Basler Nationalrätin Sibel Arslan, die in Istanbul weilt, erklärt den Stand der Dinge.

Nach Auszählung von gut 98 Prozent der Stimmen führen die Ja-Stimmen mit 51,32 Prozent. Das Nein-Lager holte auf 48,68 Prozent auf, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntagabend Stand 20 Uhr meldete.

Bei der Abstimmung über die Verfassungsreform, die Staatschef Recep Tayyip Erdogan mehr Macht gibt, sieht es nach einem knappen Ja aus. Die Wahlkarte zeigt dabei eine starke Spaltung des Landes: Während der kurdische Südosten und der Westen des Landes überwiegend mit Nein stimmten, stellten sich das anatolische Kernland und die Regionen an der Schwarzmeerküste mehrheitlich hinter die umstrittene Verfassungsreform.

Nein-Lager könne noch gewinnen

Oppositionsvertreter in der türkischen Wahlkommission äusserten Zweifel an den offiziellen Zahlen zum Referendum. Der CHP-Vertreter in der Kommission, Mehmet Hadimi Yakupoglu, sagte der Nachrichtenagentur dpa, es seien bislang deutlich weniger Stimmen ausgezählt als von der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu vermeldet. Er sprach von «Manipulation».

Der Vertreter der pro-kurdischen HDP in der Kommission, Attila Firat, sagte, die Wahlkommission habe noch nicht annähernd so viele Stimmen ausgezählt. Das «Nein»-Lager könne noch gewinnen.

Die Basler Nationalrätin Sibel Arslan (BastA!), die derzeit in Istanbul weilt, meint, die Zahl der Nein-Stimmen könne noch steigen: «Es ist nicht endgültig entschieden», sagt sie. Und: «Es wurden zahlreiche Beschwerden eingereicht, die eine Neuauszählung fordern.» Die Abstimmung könne sich noch Tage hinziehen.

Arslan findet, das knappe Resultat könne als Erfolg für das Nein-Lager gewertet werden: «Referendums-Gegner wurden in manchen Regionen bei der Stimmabgabe behindert, der allergrösste Teil der Medien berichtete im Sinne von Erdogan.» Dass trotzdem fast 50 Prozent der Bevölkerung Nein stimmte, zeige, dass die Opposition gegen das Referendum stark war.

Todesstrafe in Aussicht gestellt

Tatsächlich war die Stimmbeteiligung mit 86,7 Prozent sehr hoch. Der Wahlkampf hatte eine massive Mobilisierung beider Lager gesehen, doch zugleich hat er die Gesellschaft so stark polarisiert wie selten zuvor. Die Abstimmung wurde vorwiegend als Abstimmung für oder gegen Präsident Erdogan wahrgenommen, der Inhalt der Verfassungsänderung spielte kaum eine Rolle in den Debatten.

Das Präsidialsystem würde Erdogan mit deutlich mehr Macht ausstatten. Die Opposition warnte vor einer Ein-Mann-Herrschaft. Erdogan versprach Stabilität und Sicherheit, sollte das Präsidialsystem eingeführt werden. Er hat im Falle seines Sieges beim Referendum ausserdem die Einführung der Todesstrafe in Aussicht gestellt. 

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