Sieben musikalische Erinnerungen an George Michael

«Last Christmas» für George Michael: Nach David Bowie und Prince ist nun auch der britische Sänger unerwartet verschieden. Wir erinnern uns an Mr. Wham! – in sieben Songs. 2016 did it again: Nach David Bowie und Prince ist auch George Michael unerwartet verschieden. Der britische Sänger mit einem griechisch-zypriotischen Vater starb am Weihnachtstag in seinem […]

«Last Christmas» für George Michael: Nach David Bowie und Prince ist nun auch der britische Sänger unerwartet verschieden. Wir erinnern uns an Mr. Wham! – in sieben Songs.

2016 did it again: Nach David Bowie und Prince ist auch George Michael unerwartet verschieden. Der britische Sänger mit einem griechisch-zypriotischen Vater starb am Weihnachtstag in seinem Haus in Oxfordshire. Ganz überraschend kam sein Tod jedoch nicht, in den vergangenen Jahren sorgten Nachrichten um seinen Gesundheitszustand regelmässig für Sorgen: 2011 liess er sich einen Monat lang in einem Krankenhaus in Wien wegen einer Lungenentzündung behandeln, 2015 in eine Schweizer Suchtklinik. In Erinnerung bleibt der Sänger für einen weissen Soul, den er selbst im Mutterland USA so populär machte wie kaum einer vor ihm – und, wie jedes Jahr zur Adventszeit, mit der inoffiziellen Weihnachtshymne «Last Christmas» und dem Herumtollen in farbigen Schianzügen im Schnee von Saas Fee. Es war nun für ihn die letzte.

1. Wham! – «Careless Whisper»

Wham! waren Eighties as Eighties can – Fönfrisur und weissgebleichte Zähne, überbordender Hedonismus und klinischer Sexappeal. Obwohl ein Duo, war George Michael schon damals als Songwriter der Taktgeber und sang die meisten Songs, während sein Partner Andrew Ridgeley vor allem gut aussah. Was vollauf genügte. Trotz aller konzeptueller Sorglosigkeit war Wham! jedoch zumindest im Aktionsradios hochpolitisch: Als erster westlicher Pop-Act spielten sie 1985 im damals noch ziemlich abgeriegelten kommunistischen China. Und damit die Pop-Dekadenz des Westens nicht allzu sehr die Jugend verführe, haben die Machthaber in Peking die Hits von Wham! in aller Vorsicht noch mit klassenkampfkompatiblen Texten fürs einheimische Publikum neu aufnehmen lassen.

2. «Faith»

Die Neuerfindung: Nach dem Ende von Wham! geriet sein Partner Ridgeley bald in Vergessenheit – und George Michael wurde zum Megastar. Mit Lederjacke, Dreitagebart, Löcherjeans und umgehängter Country-Gitarre lancierte er mit «Faith» 1987 ein Image als männliches Sexsymbol jenseits aller bi- und homosexuellen Konnotationen, die Wham! noch relativ offen zur Schau stellten. «Faith» war ein Monstererfolg, besonders in den USA, wo er als erster weisser Sänger die Spitze der R&B-Albumcharts erreichte. Und sich dabei trotzdem kontroverse Themen erlauben konnte: Sexueller Missbrauch in «I Want Your Sex», Drogenelend in «Monkey».

3. «Freedom ’90»

«Faith» war derart gigantisch erfolgreich – die Verkaufszahlen sollen mittlerweile die 25-Millionen-Marke geknackt haben –, dass Michael nach eigenen Aussagen die Bodenhaftung verloren haben soll. Einen Nachhall davon hörte man auf seinem zweiten Album «Listen Without Prejudice Vol. 1», das schon im Titel darum bat, man solle den Sänger bitteschön nicht auf sein Image als Posterboy reduzieren. Kommerziell war das Album, gemessen am Vorgänger, ein Misserfolg, inhaltlich trat jedoch die Nachdenklichkeit eines Überrollten zutage: «Freedom ’90», dieser unverwelkende Evergreen, gierte mit der Kraft des Gospel nach Wahrhaftigkeit: «Sometimes the clothes do not make the man. All we have to do, now, is take these lies and make them true somehow.» Amen.

4. «Too Funky»

Was soll man zu dem Song noch viele Worte verlieren? Besser den Clip schauen: Supermodels wie Linda Evangelista und Tyra Banks räkeln sich über den Catwalk, und Michael, selbst nur kurz als Kameramann zu sehen, singt «Everybody wants a lover like that». Dass George Michael die gesamten Einnahmen des Songs für die Aidsprävention stiftete, ist eine schöne Note: Man soll sich den Spass im Bett nicht verderben lassen. Und er wusste, wovon er redete.

5. «Jesus To A Child»

Sechs Jahre brauchte George Michael für sein drittes Album, und die lange Pause lag nicht nur an einem blockierenden Rechtsstreit mit seiner Plattenfirma. 1993 starb sein Partner Anselmo Feleppa, den er zwei Jahre zuvor in Rio de Janeiro kennengelernt hatte, an den Folgen einer Aids-Erkrankung. Eineinhalb Jahre versank Michael in Trauer und komponierte keinen Ton, dann kamen die Worte für «Jesus To A Child» heraus. Die Musik zum Song, sanfter Bossa Nova, war an sich schon genug Reminiszenz an den verstorbenen Partner, aber es war vor allem der Text, aus dem die tiefe Trauer und die Einsicht, weiterzugehen, aus jedem Wort drängte. «And what have I learned from all these tears, I’ve waited for you all those years / And just when it began, he took you away», klagt der Zurückgelassene, um sich schliesslich in Trost zu hüllen: «But I still say, when you find love, when you know that it exists, then the lover that you miss will come to you on those cold, cold nights.»

6. «Freeek»

Nach «Older» blieb Michaels Weg nicht frei von Brüchen: 1998 wurde er «in act» von einem Polizisten aufgegriffen, wonach er seine Homosexualität erstmals öffentlich bestätigte. Der Tod seiner Mutter ein Jahr zuvor warf ihn zudem in ein depressives Loch. Danach tat er jahrelang nach eigenen Aussagen kaum mehr als Joints zu rauchen. 2002 erschienen mit «Freeek» und dem ungewohnt deutlich politischen «Shoot The Dog» [https://youtu.be/ABhZQ_VRbsQ] (gegen die Nahostpolitik von George W. Bush und Tony Blair gerichtet) überraschend zwei neue Singles, zwei Jahre später mit «Patience» ein neues Album, das er als sein letztes ankündigte. Es war keine Neuerfindung im essentiellen Sinne – obwohl Michael nun vermehrt mit Samples arbeitete, blieb sein Verständnis, wie Erwachsenen-Pop zu klingen habe, den scheinbar ewig gültigen Standards der Achtziger verbunden. Doch darin liegt ebenso die heimliche Stärke der Platte: Dass Michael als Songwriter weiterhin zu grossen Taten fähig ist, zeigen die guten Momente von «Patience» – das engagierte «Freeek», aber vor allem auch das in sich gekehrte «My Mother Had A Brother», eine fragile Ballade über einen Onkel, der kurz nach der Geburt des kleinen George Suizid beging, weil er mit seiner eigenen Homosexualität nicht klar kam.

7. Die Covers

Regelmässig nahm sich George Michael fremdem Material an, nicht immer waren es Glanztaten der Studio- oder Arrangementtechnik. Doch wenn man Michael hörte, wie er «Papa Was A Rolling Stone», Stevie Wonder oder Freddie Mercury intonierte, wird der Verlust noch deutlicher. So begnadet er als Songwriter war, der Sänger überstrahlte alles.

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