Nach «Sieben Tagen in Havanna» wird eines klar: Während der Westen auf Pump lebt und das Geld der zwei nächsten Generationen schon mal verschleudert, darbt Kuba in entgegengesetzter Richtung dem Niedergang entgegen: Der Tauschhandel ist bereits wieder eingeführt. Geld ist längst Mangelware. Die Kreativität der Jugend wird verschleudert. Die Reichtümer der letzten Generationen sichern gerade mal noch das Überleben der Übriggebliebenen – bis zum letzten Krümel.
Kuba ist müde. In sieben Episoden bezeugen Filmemacher aus aller Welt die erschöpfte Magie der Hauptstadt der Überlebenskunst. Mit Blick auf sieben Lebens-Sünden widmen sich die Episoden der sieben Regisseure sieben Geheimnissen der Stadt und dem unendlichen Einfallsreichtum der Mittellosen. Mit Musik, Mut und Mischelei wursteln sich die Havannaner durch die Folgen der Wirtschaftsblockade:
Mit Elia Suleiman warten wir (vergeblich) auf ein Interview mit Fidel Castro, und gewinnen einen poetischen Einblick in die Schönheit des Stillstandes auf der Insel.
Bei Benicio del Toro lernen wir mit dem kreuzfidelen Tourist Teddy die käuflichen Nachtschatten Havannas kennen.
Pablo Trapera macht in einer beiläufigen Begegnung deutlich, wie das Geheimnis Havannas einzufangen ist: Der Zufall verschlägt den betrunkenen Gewinner des Kubanischen Filmpreises (Emir Kusturica), in ein Taxi, dessen Fahrer ein begnadeter Jazzer ist. Auf den Umwegen zur Preisverleihung wird dem Preisträger klar, dass am Steuer seines Wagens ein begnadeter Trompeter sitzt: Da verdrehen sich Ruhm und künstlerischer Wert. Der Preisträger ist überwältigt vom musikalischen Zauber seines Taxifahrers. Der Trompeter verhilft dem Preisgekrönten zu einem musikalischen Sternmoment. Der mediale Ruhm ist plötzlich nur noch ein Stück Blech: Es ist eines der schönsten, beiläufigsten Bilder, in dem das bittere Geheimnis von Havanna eingefangen ist, wenn zum Schluss das Töchterchen des begnadeten Taxifahrers mit der Trophäe des preisgekrönten Stars spielt.
Gaspar Noé führt uns mit archaischer Musik in ein Voodoo-Ritual ein, das tief in die afrikanischen Wurzeln der kubanischen Kultur verweist.
Julio Medem begleitet eine jener phantastischen Sängerinen zu einer schwer errungenen Entscheidung. Der spanische Agent (Daniel Brühl) attestiert dem Gesangstalent eine sagenhafte Stimme, während er sie Richtung Bettkante lotst. Wir lernen mit ihr die Alternativen der Kreativen in Kuba näher kennen: Von den Kolonialisten ausgeblutet, im Kampf um einen Alltag zermürbt und von der Blockade ausgehungert, haben die Kubaner nichts mehr zu verkaufen – als sich selbst. Für die Kreativen heisst das, wer sein Glück versuchen will, muss es im Ausland tun.
Wer trotzdem zu Hause bleibt, dem bleibt nur zu tauschen, zu mischeln, zu wursteln: Juan Carlos Tabìo folgt der verzweifelten Fernseh-Ratgeberin Mirta auf ihrem Nebenerwerb als Zuckerbäckerin: Jedes Ei will da verdient, jede Kilowattsekunde erschummelt, jedes Gramm Mehl erduldet werden. Wenn sie zum Schluss über den Fernsehkanal den Kubanern Lebensberatung leistet, wirkt das wie ein vergebliches Lächeln gegen die Verzweiflung.
In der letzten Epsiode dieser Welt-Erschöpfung stellt eine Gottesmutter ihre Forderung: Die Flussgöttin wünscht sich in ihrer Weissagung ein vergrösserten Zimmer eine Quelle, und bringt damit die religiöse Gemeinschaft der Santéria zurück zum Urkommunismus: Alle helfen sie mit, den Mörtel zu mopsen, das Wasser zu beschaffen, die Steine zu entwenden, die Farbe zu klauen, bis es zu einer kleinen ergreifenden Feier der Gemeinschaft kommt, in der wir die Fäden der vorhergehenden Epsioden noch einmal lose verknüpft sehen.
Nach «Sieben Tagen in Havanna» wird eines klar: Während der Westen auf Pump lebt und das Geld der zwei nächsten Generationen schon mal verschleudert, darbt Kuba in entgegengesetzter Richtung dem Niedergang entgegen: Der Tauschhandel ist bereits wieder eingeführt. Geld ist längst Mangelware. Die Kreativität der Jugend verarmt. Die Reichtümer der letzten Generationen sichern gerade mal noch das Überleben der Übriggebliebenen – bis zum letzten Krümel.