Simon Ammann nimmt die morgen in Oberstdorf beginnende Vierschanzentournee mit einer für ihn ungewohnten Ausgangslage in Angriff. Der 34-Jährige ist derzeit weit von der Spitze entfernt.
Kurz vor und unmittelbar nach Weihnachten wird Simon Ammann üblicherweise mit dem stets selben Fakt konfrontiert. Jenem nämlich, dass ihm, dem vierfachen Olympiasieger, im eindrücklichen Palmarès noch immer der Gesamtsieg an der Vierschanzentournee fehlt.
Ammann wäre gewiss glücklich, dürfte er auch heuer – zum x-ten Mal – zu Protokoll geben, auch ohne einen Tournee-Sieg mit seiner Karriere überaus zufrieden zu sein. Doch der letzte fehlende grosse Titel des Toggenburgers ist vor der 64. Vierschanzentournee nirgends ein Thema. Stattdessen dreht sich seit Wochen alles um sein «Telemark-Projekt», die Umstellung der Landung mit dem Wechsel des Standbeins von links auf rechts.
Kein Telemark zu erkennen
Auch mehr als einen Monat nach dem Weltcupstart ist bei Ammanns Landung kein Telemark zu erkennen – oder bestenfalls in Ansätzen, aber selbst dies nur vereinzelt. Bei der Generalprobe für die Vierschanzentournee, den beiden Heimspringen in Engelberg, musste konstatiert werden, dass sich der Schweizer Teamleader von der Weltspitze derzeit weiter weg befindet als angenommen. Noch nie in dieser Saison kamen für ihn bei den Haltungsnoten mehr als 52,5 Punkte in die Wertung. Auf die Besten verliert Ammann dergestalt im Schnitt fünf Punkte pro Durchgang.
Er müsse jeden Sprung nutzen, um weiter zu kommen. Das Projekt, die Umstellung der Landung, fordere den ganzen Profi in ihm, so Ammann. Der 23-fache Weltcupsieger wird dieser Tage nicht müde zu betonen, dass «ich mich trotzdem auf die Tournee freue». Der Erwartungsdruck von aussen ist diesmal so gering wie letztmals vor zehn Jahren, als mit Andreas Küttel ein anderer Schweizer zu den Favoriten auf den Gesamtsieg zählte. «Ich habe einen unbeschwerten Zugang zur Tournee», sagt Ammann deshalb. Der Ostschweizer, beim Tournee-Auftakt auf der Schattenbergschanze 2008 und 2013 siegreich, verpasste jedoch sein Ziel, vor der Tournee in die Top 10 des Weltcups zurückzukehren, um so zu den Vorqualifizierten zu gehören.
Neben Ammann werden mit Gregor Deschwanden und Killian Peier zwei weitere Schweizer am 28. Dezember die Qualifikation für das erste Springen in Oberstdorf in Angriff nehmen. Letzterer wird im Allgäu erstmals im Rahmen der Vierschanzentournee am Start sein.
Prevc als Topfavorit
Einiges spricht dafür, dass die seit 2009 währende Siegesserie der österreichischen Skispringer bei der 64. Ausgabe der Vierschanzentournee ein Ende finden wird. Mit seinen beiden überlegenen Siegen in Engelberg hievte sich Peter Prevc in die Rolle des Topfavoriten. Zuletzt reihte er im Weltcup drei Erfolge aneinander, in den vier Wettkämpfen zuvor wurde er dreimal Zweiter. «Der Druck ist da, wenn man erfolgreich in die Saison startet», weiss der 23-jährige Slowene, der das Weltcup-Klassement mit 165 Punkten Vorsprung auf den zweitplatzierten Severin Freund anführt. Der deutsche Weltmeister von der Grossschanze gibt sich derweil kämpferisch: «In Oberstdorf werden die Karten neu gemischt.»
Dass eine Führung in der Weltcup-Gesamtwertung nicht automatisch Erfolg an der zehntägigen Tournee garantiert, musste in der letzten Saison der Norweger Anders Fannemel erfahren, der in der Endabrechnung bloss Elfter wurde. Dem Tschechen Roman Koudelka, vor Jahresfrist in Engelberg bei der Generalprobe Erster und Zweiter, lief es nur unwesentlich besser. Er musste sich im Schlussklassement der Vierschanzentournee mit Platz 9 begnügen.
Österreichs Hoffnungen liegen auf Hayböck
Die österreichischen Hoffnungen liegen auf Michael Hayböck, der als bislang Einziger des erfolgsverwöhnten ÖSV-Teams in dieser Saison einen Podestplatz erreicht hat. Derweil die Österreicher dank Wolfgang Loitzl (2009), Andreas Kofler (2010), Thomas Morgenstern (2011), Gregor Schlierenzauer (2012 und 2013), Thomas Diethart (2014) und Stefan Kraft (2015) zuletzt siebenmal de suite den Tourneesieger stellen konnten, warten die Deutschen bereits seit 14 Jahren (Sven Hannawald) auf einen Triumph. In der Breite klar am stärksten aufgestellt sind derzeit die Norweger, auf deren Konto bei den ersten sieben Wettkämpfen mehr als ein Drittel der Podestplätze ging.