Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Für viele die Zeit, sich neue Vorsätze zu fassen. Andere stellen sich in dieser beschaulichen Zeit intensiver als sonst die ganz grundsätzliche Frage: Was eigentlich ist der Sinn des Lebens? Sie auch? Sagen Sie uns, worin Sie ihn sehen.
Vor ein paar Jahren habe ich mir einen Tisch gekauft, einen schönen, alten Beizentisch aus Nussbaum. Ich gab dem alten Mann, der ihn mir verkaufte, Geld und er mir nicht nur den Tisch. «Das Geld ist gut investiert», sagte er, «du musst die Gelegenheit nur nutzen: bewirte Freunde, feiere Feste, führe Gespräche, lache und setze dich an den Tisch und denke nach. Vielleicht weinst du auch mal, aber irgendwann wirst du am gleichen Tisch sitzen und dich an all das erinnern. Mehr kann dir das Leben nicht geben.»
Der Tisch ist inzwischen verlebt, voller Flecken und Kratzer. Der alte Mann behielt recht: Wann immer ich mich an einen schönen Moment erinnere, sehe ich mich an einem Tisch sitzen. Es ist nicht nur der alte Nussbaumtisch gewesen, aber ein Tisch stand meistens im Mittelpunkt. Es waren Gespräche mit alten Freunden, neuen Bekanntschaften oder zunächst ganz Unbekannten – und sie waren vielleicht nicht immer sehr tiefsinnig; bereichert haben sie mich aber dennoch alle.
Wann immer ich mich nun frage, was ich in meinem Leben am meisten geniesse und schätze, fällt mir der alte Mann ein. Er war nicht nur ein guter Verkäufer, er hat auch etwas auf den Punkt gebracht. Ich weiss nicht, ob es der Sinn des Lebens ist, aber ich glaube gerne daran, dass wir hier sind, um gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. Miteinander zu lachen, zu schwatzen, zu blödeln, zu streiten, zu trinken, zu essen – und ja, auch über das Leben zu sinnieren.
In der TagesWoche zwischen Weihnachten und Neujahr äussern sich Autoren und Autorinnen von Ivan Ergić bis Elisabeth Kopp zum Sinn des Lebens. Gerne hätten wir aber auch die Gedanken unserer Leser dazu. Sinnieren Sie mit uns: