Skandal um dutzendfachen Kindesmissbrauch erschüttert Pakistan

Pakistan wird von einem Skandal um Kindesmissbrauch erschüttert. Die Behörden der Provinz Punjab haben am Montag ein Ermittlungsverfahren wegen des Missbrauchs von mindestens 280 Kindern eröffnet. Pakistans Regierungschef fordert eine harte Bestrafung der Schuldigen.

Die junge Frau (links) fordert Gerechtigkeit für die Kinder: Der Missbrauchsskandal in Pakistan löst grosse Empörung aus. (Bild: sda)

Pakistan wird von einem Skandal um Kindesmissbrauch erschüttert. Die Behörden der Provinz Punjab haben am Montag ein Ermittlungsverfahren wegen des Missbrauchs von mindestens 280 Kindern eröffnet. Pakistans Regierungschef fordert eine harte Bestrafung der Schuldigen.

«Wir werden sicherstellen, dass diejenigen, die hinter diesem abscheulichen Verbrechen stehen, beispielhaft bestraft werden», kündigte Ministerpräsident Nawaz Sharif am Montag in der Hauptstadt Islamabad an.

Zuvor hatte die Polizei mindestens sieben Männer wegen Kindesmissbrauchs und der Verbreitung von Videoaufnahmen des Missbrauchs festgenommen. Das jüngste Opfer sei sieben Jahre alt, teilte die Polizei am Sonntag mit. Auf den Filmen ist demnach zu sehen, wie Kinder aus der Umgebung belästigt werden.

«Wir suchen zehn weitere Verdächtige», teilte die Polizei mit. Die Justiz prüft noch, welches Ausmass die Verbrechen haben. Die meisten Videos mit kleinen Jungen seien vor Ort verkauft worden, sagte der Polizist Riaz Chaudhry. Ob die Filme auch international – beispielsweise über Kinderporno-Webseiten – angeboten worden, untersuche die Abteilung für Cyberkriminalität noch, sagte Chaudhry.

Kinder zu Geschlechtsverkehr gezwungen

Seit 2007 seien Kinder von einer etwa 25-köpfigen Männerbande systematisch sexuell missbraucht und dabei gefilmt worden, sagte Latif Ahmed Sara, der die Familien der Opfer vertritt. Nach seinen Angaben wurden die Eltern später mit den Videos erpresst.

Die Kinder waren zumeist jünger als 14 Jahre. Sie lebten im Dorf Hussain Khanwala südwestlich der zweitgrössten pakistanischen Stadt Lahore. Jedes zweite Kind im Dorf sei ein Opfer sexuellen Missbrauchs, sagte Sara. Die Kinder seien teilweise auch gezwungen worden, aneinander sexuelle Akte zu verüben.

Die Provinzregierung von Punjab reagiert mit den offiziellen Ermittlungen auf den nach Protesten von Medien und Menschenrechtlern gestiegenen öffentlichen Druck. Nach Angaben des Leiters des Büros für Kindesschutz der Provinz, Saba Sadiq, handelt es sich «um den grössten Fall von Kindesmissbrauch in der Geschichte Pakistans».

In der vergangenen Woche hatte die Polizei sich bereits mit dem Skandal befasst, war jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die Anschuldigungen jeder Grundlage entbehrten. Daraufhin kam es in der Kleinstadt Kasur bei Lahore zu gewalttätigen Ausschreitungen Hunderter wütender Eltern der mutmasslichen Opfer gegen die Polizei, mehr als zwanzig Menschen wurden verletzt.

Lokale Polizei spricht von Übertreibung

Die lokalen Polizeibehörden warfen indes Medien und Menschenrechtsaktivisten vor, den Fall aufzubauschen: Bezirkspolizeichef Rai Baber Saeed sagte der Nachrichtenagentur AFP, es werde alles getan, Schuldige dingfest zu machen. Es handle sich aber um einen alten Fall, den die Dorfbewohner in einem Streit um Landbesitz zu instrumentalisieren versuchten.

Diejenigen, die jetzt als Opfer posierten, versuchten nur, «einen sehr alten Vorfall» zu Geld zu machen, sagte auch der regionale Polizeichef Shahzad Sultan. Seit Auftauchen der ersten Vorwürfe seien acht Verdächtige festgenommen worden. Danach hätten die «Vorfälle» aufgehört. Es gebe aber eine Gruppe von etwa 20-jährigen Jungen, die zum Spass Videos von «einvernehmlichem Sex» drehten.

Im tiefkonservativen, muslimischen Pakistan ist Sexualität ein tabuisiertes Thema. Es gilt vielerorts auch als Schande für die Familie, wenn ein Mitglied öffentlich macht, Opfer eines Sexualverbrechens gewesen zu sein.

Laut pakistanischen Kinderschützern wurden im vergangenen Jahr 3500 Fälle sexueller Misshandlung von Kindern registriert, die Dunkelziffer könnte nach diesen Schätzungen um die 10’000 liegen.

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