Sozialhilfe soll mehr als bloss das nackte Überleben sichern. Daran hält die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) trotz Kritik an ihren Richtlinien fest.
Die SKOS steht unter Druck, seit letztes Jahr vier Gemeinden nach einem umstrittenen Bundesgerichtsurteil aus der Organisation ausgetreten sind. Die Richter in Lausanne hatten die Aargauer Gemeinde Berikon zurückgepfiffen, die einem unkooperativen 22-Jährigen die Sozialhilfe streichen wollte.
SKOS-Präsident Walter Schmid hatte sich in dem Zusammenhang mit der Aussage exponiert, dass auch schwierige Menschen Anspruch auf Sozialhilfe hätten, nicht nur brave. Er und SKOS-Geschäftsführerin Dorothee Guggisberg nutzten heute die traditionelle SKOS-Medienkonferenz zum Jahresbeginn, das System der integrierenden Sozialhilfe zu verteidigen.
Gemäss den Richtlinien der SKOS erhalten Sozialhilfeempfänger unter Umständen über die materielle Grundsicherung hinaus situationsbedingte Leistungen. Dazu können Umzugskosten gehören oder die externe Kinderbetreuung, damit die Betroffenen weiterhin arbeiten können.
Bescheidenes Leben
Daraus ergibt sich das soziale Existenzminimum, das zwar über dem absoluten Existenzminimum, aber unterhalb des betreibungsrechtlichen Existenzminimums und auch unterhalb der Ergänzungsleistungen zu AHV und IV liegt. Mit weiteren Zulagen können Bemühungen um Integration honoriert werden.
Ziel sei es, «ein normales, wenn auch bescheidenes Leben zu ermöglichen», sagte Schmid. Was das genau bedeute, sei eine politische Frage. Heute orientiert sich das soziale Existenzminimum am Konsumverhalten der ärmsten 10 Prozent der Haushalte. Diesem würden die Bedürfnisse der Sozialhilfebezüger gleichgestellt, sagte Schmid.
Seiner Meinung nach sichert ein Sozialhilfesystem, das die Menschen nicht an den Rand der Gesellschaft drängt oder gar ausschliesst, den sozialen Frieden. «Es hat damit Anteil am Erfolgsmodell Schweiz», sagte Schmid, der im Frühling als SKOS-Präsident zurücktritt. Sein Nachfolger wird an der Mitgliederversammlung im Mai gewählt.
Fehlende Legitimation
Unter dem Spardruck der Kantone dürfte die Aufgabe für den neuen Präsidenten nicht einfacher werden. Die Empfehlungen der SKOS zur Berechnung der Höhe der Sozialhilfe haben zwar grosse Bedeutung, da sie von Gesetzgebern, Behörden und Gerichten weitgehend umgesetzt werden. Der SKOS fehlt aber jede demokratische Legitimation, da sie als privatrechtlicher Verein organisiert ist.
Diese Struktur wurde vor 50 Jahren aus der Not geboren. Bis heute gibt es in der Schweiz weder eine nationale Gesetzgebung zur Sozialhilfe noch ein Konkordat unter den Kantonen. Aufgeschreckt von der Kontroverse um die SKOS will die Sozialkommission des Nationalrats zwar die Möglichkeiten für ein Rahmengesetz überprüfen lassen. Der jüngste Anlauf in diese Richtung war jedoch erst letzten Sommer im Parlament gescheitert.
Damit dürfte es noch auf lange Zeit hinaus Aufgabe der SKOS sein, mit rechtlich nicht verbindlichen Empfehlungen für Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit in der Sozialhilfe zu sorgen.
Kinder und Jugendliche betroffen
Nach Angaben der SKOS beziehen heute rund 235’000 Personen Sozialhilfe in der Schweiz. Ein Drittel davon sind Kinder und Jugendliche. Ein grosser Teil der Sozialhilfebezüger ist zwar erwerbstätig, verdient aber nicht genug, um die Lebenskosten zu decken.
Die Höhe der Beiträge wurde in den letzten zehn Jahren zwar leicht der Teuerung angepasst, aber sonst nicht verändert. Die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, die als Grundlage für die Berechnung des sozialen Existenzminimums dient, soll nun aktualisiert werden.
Ein Bericht dazu liegt laut Guggisberg bis Ende Jahr vor. Danach werde der SKOS-Vorstand nach Anhörung der Sozialdirektorenkonferenz der Kantone über eine allfällige Anpassung entscheiden.