«Sleepless in New York»: Ein Film über die Liebe, die sich anfühlt wie Zahnschmerzen

Über Verliebtheit denken wir öfter nach. Über Trennung länger. Christian Frei hilft in seinem Film «Sleepless in New York» den Frisch-Verliebten oder Single-Frischlingen von jener Sucht nach Leidenschaft wegzukommen, die es schafft, nach Leiden zu suchen. Christian Frei («War Photographer») hat sie aufgespürt: Verlassene, denen der Schlaf geraubt ist. Der Titel seines neuen Films «Sleepless […]

Über Verliebtheit denken wir öfter nach. Über Trennung länger. Christian Frei hilft in seinem Film «Sleepless in New York» den Frisch-Verliebten oder Single-Frischlingen von jener Sucht nach Leidenschaft wegzukommen, die es schafft, nach Leiden zu suchen.

Christian Frei («War Photographer») hat sie aufgespürt: Verlassene, denen der Schlaf geraubt ist. Der Titel seines neuen Films «Sleepless in New York» verrät auch rasch wo. Er hat die Süchtigen getroffen, die über nichts lieber reden, als über ihre Sucht. Die Liebe und ihren Verlust. Aber was hilft Süchtigen über ihre Sucht hinweg? Liebe.

Über Verliebtheit denken wir zwar öfter nach. Über Trennung dafür länger. Christian Frei hilft Frisch-Verliebten oder Single-Frischlingen dabei von jener Sucht nach Leidenschaft wegzukommen, die es schafft Leiden zu suchen.

Vor der Liebe schaltet das Hirn

Als der amerikanische Psychologe James im 19. Jahrhundert fragte, ob wir vor dem Bären davon rennen, weil wir Angst haben oder, ob wir nicht vielmehr Angst kriegen, weil wir vor dem Bären davonrennen, lächelte die Wissenschaft kurz, vergass seine Frage und verbrachte erst einmal ein paar Jahrzehnte auf Couchs oder vor Hypnosependeln.

Erst im 20. Jahrhundert nahm die Forschung den Gedanken wieder auf. Wenn wir beim Anblick zweier schöner Augen Herzklopfen kriegen, schliessen wir daraus: Dass wir wohl verliebt sein müssen. Es folgen Sichtkontakt, Worte, Berührungen, Worte, Schweissausbrüche, Worte und dann Austausch von Körperflüssigkeiten. Mit jedem Vorgang wächst in uns die Überzeugung, dass wir verliebt sind. Dennoch durchschauen wir nie ganz warum.

Schon Knigge warnte: Mit Verliebten ist vernünftigerweise nicht umzugehen!

Umso schwerer verständlich wird die Sache, wenn wir verlassen werden: Wieder folgen Herzrasen, Bauchschmerzen, Blutpochen und Verlust von Körperflüssigkeiten. Wiederum schliessen wir haarscharf, dass wir sehr lieben und Trennung nun weh tut.

Doch jetzt lässt Christian Frei Helen Fisher zu Wort kommen. Sie ist freundlich, bestimmt, und kenntnisreich, wenn sie manchmal auch eher klingt, wie die Lebensberaterin von «Brigitte». Doch sie sagt uns Einschneidendes: Dass nämlich bei Verliebtheit ähnliche Hirnareale aktiv sind wie bei Zahnschmerzen. Dass wir, kurz gesagt, etwas wie Verliebtheit ebenso heftig wahrnehmen wie Zahnschmerz, zumindest mit den gleichen Hirnarealen.

Fast wie Liebe ist die Trennung: Es folgen auch Herzrasen, Bauchschmerzen, Blutpochen und der Verlust von Körperflüssigkeiten.

Dass es also nicht erstaunlich ist, dass Verliebtheit und Trennung uns ähnlich heftig plagen: Die Trennung aber noch viel mehr, weil unser Hirn fatalerweise auch noch das, was uns fehlt, mit einer Extraportion Ausschüttung von Dopamin im Suchtzentrum des Hirns (VTA) zu bekämpfen versucht. Wir werden süchtig nach Trennung!

Wir sehen in «Sleepless in New York» Alley, Michael und Rosey durch ihren Liebeschmerz gehen und denken viel über Liebe nach. Während die Wissenschaft – und Helen Fisher – schon weiterfragt: In den Sechzigern des 20. Jahrhunderts hat nämlich der Wissenschaftler Libet Gehirnströme gemessen, die verantwortlich sind für unsere bewussten Entscheidungen, und er stellte fest:

Lange (ca. 0,5 Sekunden) bevor wir anfangen zu denken, dass wir etwas wollen, fängt unser Hirn schon einmal an, es zu tun! Wir sind, so Fisher, weitgehend unseren vegetativen Impulsen ausgeliefert.

Der Rat an die Trennungsfrischlinge lautet also ähnlich wie bei Süchtigen: Würden Sie, wenn Sie vom Wodka wegkommen wollten, eine volle Wodkaflasche zum Abgewöhnen auf den Tisch stellen? Nein? Also, weg mit all den Erinnerungen. Nicht mehr an sie denken. Wenn das so einfach wäre, könnte der Film nicht das Gegenteil beweisen.

Ist nun «Sleepless in New York» für Verliebte oder Getrennte? 

Frisch Verliebte sollten den Film anschauen, um sich auf das vorzubereiten, was unweigerlich kommen wird: die Trennung. Spätestens wenn ein Teil des Paares stirbt, ist es auch bei den Hartnäckigsten so weit. Trennungssucht setzt ein.

Frisch Getrennte sollten die Gelegenheit nutzen, jemanden zu diesem Film einzuladen, Händchen zu halten, Herzklopfen, Berührungen und eventuelle Blickkontakte zu praktizieren (sie sind im dunkeln Kinosaal besonders wirkungsvoll). 

Ihr Freund könnte schon morgen fragen, ob Sie eigentlich noch verliebt sind? Dann laden Sie ihn lieber heute schon in diesen Film ein.

Alle anderen können eines lernen: In unserem Herz klopft es, und wir glauben deshalb, wir seien verliebt. Das ist nichts Neues. In jedem Schlager ist die Rede davon. Neu sagt uns nun aber die Hirnforschung: Mit dem Nachdenken verhält es sich genau so. In unserem Hirn denkt es, und wir glauben deshalb, wir hätten verstanden.

Wenn sie also darauf beharren wollen, dass sie das Verliebtsein weiterhin verstehen wollen, bleiben sie diesem Film fern. Aber Vorsicht: Ihr Freund könnte schon morgen fragen, ob Sie eigentlich noch verliebt sind? Dann laden Sie ihn lieber heute schon in diesen Film ein. Er wird dann einiges verstehen.   

_
Der Film läuft ab sofort in Basel im Kultkino Atelier.

Nächster Artikel