Wie erwartet hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihre schon bislang expansive Geldpolitik beibehalten. Doch die Notenbanker lehnen sich nach ihrem Zinsentscheid vom Donnerstag nicht zurück. Vielmehr spielen sie vor dem Brexit-Votum nächste Woche auf Zeit.
Die SNB belässt den Negativzins für Sichteinlagen bei der Nationalbank bei minus 0,75 Prozent. Auch das Zielband für den Dreimonats-Libor belässt sie bei minus 1,25 Prozent bis minus 0,25 Prozent. Dieses Beibehalten der bisherigen Geldpolitik war in Finanzkreisen erwartet worden. Alles andere wäre «einer Sensation» gleichgekommen, hiess es etwa in Bankenkreisen.
Damit reiht sich die SNB ein in die Vorgehensweise der für sie relevanten ausländischen Notenbanken: Am Mittwoch hatte die amerikanische Fed und am Donnerstag die japanische BoJ bekannt gegeben, bei ihrer bisherigen Politik zu bleiben, und auch die europäische EZB hält nach einem Entscheid von Anfang Juni derzeit die Füsse still.
Zinsdifferenz derzeit gewahrt
Dabei verlangt die japanische Notenbank einen Negativzins von minus 0,1 Prozent und die EZB berechnet für das Parken von Geldern einen Strafzins von minus 0,4 Prozent. Die Fed kennt derzeit keinen Negativzins. Der US-amerikanische Leitzins liegt seit letztem Dezember in einer Spanne von 0,25 und 0,5 Prozent, der Leitzins der EZB bei Null Prozent. Damit ist für die SNB die Zinsdifferenz gewahrt, sodass im Moment kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht.
Sehr schnell müsste die SNB jedoch handeln, wenn in einer Woche die Briten dafür stimmen, aus der EU auszutreten. Dann dürfte der Franken vor allem gegenüber dem Euro unter massiven Aufwertungsdruck geraten – eine Tendenz, die sich bereits in den letzten Wochen zeigt, nur schon aufgrund der Nervosität an den Märkten vor dem Brexit-Votum. Seit dem 3. Juni ist der Euro von knapp 1,11 Franken auf 1,08 Franken am Donnerstag Vormittag gefallen.
«Eine Abwertung des Euros gegenüber dem Franken auf unter 1,05 Franken bis 1,07 Franken wird die SNB mit allen Mitteln zu verhindern versuchen», kommentierte Daniel Hartmann, Ökonom bei der Bantleon Bank in Zug gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters den Zinsentscheid der SNB.
Massnahmen bei Bedarf
Angesichts der Tatsache, dass die Devisenreserven der SNB, wegen ihrer Interventionen am Devisenmarkt, bereits bei fast 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) liegen, geht Hartmann davon aus, dass die SNB im Fall eines Brexit nicht um eine weitere Senkung des Leitzinses auf minus 0,9 Prozent bis minus 1,0 Prozent herumkäme.
Dass die Nationalbank bei Bedarf Massnahmen ergreife, betonte Präsident Thomas Jordan am Donnerstag vor den Medien. Dabei basiert die Geldpolitik der SNB auf zwei Pfeilern: dem Negativzins und der Bereitschaft, am Devisenmarkt aktiv zu sein.
Ziel sei, den Druck auf den Franken zu verringern, sagte Jordan. «Dies ist deshalb wichtig, weil der Franken deutlich überbewertet bleibt.» Aufgabe der Nationalbank ist, die Preisentwicklung zu stabilisieren und die Wirtschaftsaktivität zu unterstützten. Dieses Ziel verfolge die SNB mit ihrer expansiven Geldpolitik, so Jordan.
Sollten die Briten am 23. Juni beschliessen, dass sie in der EU verbleiben, dann sollte sich die Lage auf den Finanzmärkten stabilisieren. Der Franken könnte wieder leicht abwerten und die Notenbanker bei der SNB können ihren Kurs der ruhigen Hand fortführen. Doch bis dahin spielen Jordan und seine Kollegen auf Zeit.