Snow White and the Huntsman

Selten hatten wir es so klar vor Augen, dass Fantasy im Film nicht immer märchenhaft sein muss. Ein Märchen braucht noch lange keine Fantasy. Shakespeare hat Fantasy-Mittel benutzt, um das märchenhafte einer Geschichte zu begründen. Hexen. Zauberer. Elfen bevölkern seine Stücke wie seine Sprache. Nie als Selbstzweck. Märchen bezaubern manchmal durch ein einfaches Wunder. Selten […]

Snow White and the Huntsman

Selten hatten wir es so klar vor Augen, dass Fantasy im Film nicht immer märchenhaft sein muss. Ein Märchen braucht noch lange keine Fantasy. Shakespeare hat Fantasy-Mittel benutzt, um das märchenhafte einer Geschichte zu begründen. Hexen. Zauberer. Elfen bevölkern seine Stücke wie seine Sprache. Nie als Selbstzweck. Märchen bezaubern manchmal durch ein einfaches Wunder.

Selten hatten wir es so klar vor Augen, dass Fantasy im Film nicht immer märchenhaft sein muss. Ein Märchen braucht noch lange keine Fantasy. Shakespeare hat Fantasy-Mittel benutzt, um das märchenhafte einer Geschichte zu begründen. Hexen. Zauberer. Elfen bevölkern seine Stücke wie seine Sprache. Nie als Selbstzweck. Märchen bezaubern manchmal durch ein einfaches Wunder.  

Die Produzenten von «Huntsman» kümmern solche Fragestellungen nicht. Sie wuchten «Schneewittchen und die sieben Zwerge» auf die Leinwand, als wär’s ein Königsdrama. Oder besser: ein Königinnendrama. Vergrössert wird der Hipe durch eine Werbekampagne um Kristen Stewart (22), die  als Twilight-Zombie schon zum Lieblingskind der Medien gepusht wurde. Sie hält dem Druck stand. Nett. Belanglos. Beweglich. 

Das Böse, bzw. die böse Königin, lebt unter einer düsteren Prophezeiung: Dass ihr eine Schönere Frau einst ihre Macht rauben wird. Das wäre altbekannt. Doch gesellt sich im «Huntsman» zur Bösen Königin noch ein böser Bruder und auch Schneewittchen erhält einen guten Bruder. Flugs sind wir mitten im grossen Drama.  

Der Film schielt nach der elisabethanischer Fabelkunst, verharrt aber leider im voraussagbaren Kitsch: Zwischen böser Königin und bösem Bruder gibt’s auch nicht ein Zwistchen. Der gute Bruder ist wenigstens mal listig, ansonsten aber nur ein guter Schütze. Alles bleibt schematisch. Selbst die Narren sind rasch durchschaut. «Huntsman» serviert die Metaphorik der Bilder ausufernd, verheddert sich aber immer wieder in der üppigen Ikonografie der Romantik. 

Der Kern des Stoffes – der Kampf von zwei Welten um die Macht – bleibt auf der Strecke. Die Zwergenwelt, jene der Kooperation und väterlich mütterlichen Häuslichkeit fehlt fast gänzlich. Es bleibt die – unbegründete – Angst vor Verlust der Schönheit der Mächtigen – als ob Hässlichkeit Mächtige je daran gehindert hätte, ihre Macht zu behalten. Immerhin macht die Angst der Königin vor Verlust der Jugend den Film zu einer hübschen weiblichen Variante von Machtkampf. Auch die Weibchen (seltener) prügeln sich, wie die Männchen, um die Macht, wacker, im Spuk von dunkeln Wäldern. 

Wir lassen auch keine Gelegenheit zu einem Computer-Effekt aus. Während gute Kriegerinnen gegen böse für ausufernde, nicht gerade überraschende Kampfszenen sorgen, wird die Geschichte spektakulärer, aber nicht einleuchtender. Trickspezialisten haben einen guten Job gemacht. Überraschen können Sie uns nicht. Der Thron selbst scheint eher ein vorübergehender Single-Job zu sein. 

Monarchie braucht im Märchen scheinbar kein Volk, an dem Regierende ihr Mütchen kühlen können. Im «Huntsman» ist das Volk nur eine amorphe Masse. Es glotzt, oder schuftet, oder gibt einen hübschen Hintergrund. Schliesslich – Oh! Überraschung löst die junge Frau die Alte, unfruchtbare ab. Der Kampf um die Macht mündet dann in eine üppige Schluss-Inthronisierung. Das soll ein Happy-End sein. Happy ist wer? Die Liebesgeschichte auf jeden Fall gerät plötzlich in Vergessenheit. 

Es ist fast kein Märchen mehr, und wenn: ist es überladen mit symbolischem Eros. Da wuchten sich Männer Dolche in den Unterleib. Frauen reichen sich vergiftete Äpfel. Falls Poesie aufkommt, dann in leeren Lyrismen. Selbst wenn die Sprache hin und wieder zu Metaphern neigt – ja gar Shakespeare gesucht wird – «Frost zu Feuer, Feuer zu Frost» – wird schnell deutlich, wie weit der Film vom Königsdrama entfernt ist – mindestens Pfeilbogendistanz. 

Charlize Theron müht sich wacker ab, der bösen Königin etwas Realismus abzugewinnen. Während Julia Roberts ihrer Figur noch etwas Komik gestattete, beibt Charlize Theron gefangen im psychologischen Spiel. Das macht den Stoff interessanter als Königsdrama, aber das Märchen bleibt auf der Strecke.

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