«So nicht mehr»: Junge Fahrende sind unzufrieden und erheben sich

Eine junge, gut vernetzte und kämpferische Generation von Fahrenden erhebt sich gegen die etablierten Organisationen. Sie haben genug von Fehlinformationen und Schikanen.

Blick auf den Durchgangsplatz für Fahrende in Allmendingen bei Thun (Bild: sda)

Eine junge, gut vernetzte und kämpferische Generation von Fahrenden erhebt sich gegen die etablierten Organisationen. Sie haben genug von Fehlinformationen und Schikanen.

«So nicht mehr»: Eine junge, gut vernetzte und kämpferische Generation von Fahrenden erhebt sich gegen die etablierten Organisationen. Diese kassierten Subventionen, täten aber ihre Arbeit nicht. Damit trügen sie mit Schuld an den Problemen, die den Fahrenden in der Schweiz das Leben schwer machten.

Es sei schade, dass man zum «Vorschlaghammer» – Demonstrationen in Bern und Biel nämlich – habe greifen müssen, bis endlich etwas in Bewegung gekommen sei, sagte Reto Moser, Aktuar der erst im November 2013 gegründeten «Bewegung der Schweizer Reisenden», am Donnerstag in Zürich vor den Medien. Aber es habe gewirkt: Öffentlichkeit und Politik seien auf die Probleme der Jenischen aufmerksam geworden.

Laut dem jungen Verein, der schon 250 aktive Familien und rund 5000 Passivmitglieder umfasst, bestehen diese Probleme in akutem Mangel an Plätzen und in Behörden-Schikanen. Aber auch darin, dass die Fahrenden von der sesshaften Bevölkerung immer wieder als «dreckige Vaganten» beschimpft würden, und darin, «dass wir zwar als Minderheit, nicht aber als Volk anerkannt werden», sagte Moser.

Mangels Informationen sei der Öffentlichkeit nicht klar, dass die Jenischen Schweizer sind, die arbeiten und Steuern zahlen und Wert darauf legen, dass ihre Kinder eine gute Schulbildung erhalten (mehr dazu im Artikel: Die unerwünschten Schweizer). Sie unterschieden sich klar von den Transit-Fahrenden.

«Subventionen nicht legitimiert»

Diesen Mangel an Information lastet der Verein nicht zuletzt den etablierten Fahrenden-Organisationen an, der «Radgenossenschaft der Landstrasse» und der «Stiftung Zukunft Schweizer Fahrende». Diese würden vom Bund subventioniert, kümmerten sich aber nicht wirklich um das Volk der Jenischen. «Die Subventionen sind nicht legitimiert», erklärte Vereinspräsident Mike Gerzner.



Eingekesselt und abgeführt: Die Polizeiaktion gegen Fahrende in Bern erinnert an das Vorgehen eines autoritären Staats.

Eingekesselt und abgeführt: Die Polizeiaktion gegen Fahrende in Bern erinnert an das Vorgehen eines autoritären Staats. (Bild: GIAN EHRENZELLER)

Die Organisationen verbreiteten zudem irreführende Angaben. Von den 44 Plätzen in der ganzen Schweiz, welche die Stiftung aufliste, genügten gerade mal 11 den Anforderungen. Von den anderen seien manche etwa mit giftigen Stoffen belastet, andere lägen unmittelbar bei einem Strichplatz – für Familien mit kleinen Kindern schlicht unzumutbar. Wieder andere seien überhaupt «fiktiv».

Aber: Allein seit der Vereinsgründung im November 2013 habe die «Bewegung der Schweizer Reisenden» sieben Plätze gefunden und (vorderhand provisorisch) eröffnen können – mit viel administrativem Aufwand so Moser. Plätze würden von Gemeinden, aber auch von Privaten zur Verfügung gestellt. Zudem habe man mit dem zuständigen Bundesamt für Kultur Kontakt aufgenommen.

Wichtig: Schule in Reichweite

Das Raumplanungsgesetz verpflichtet laut Vereinspräsident Gerzner zwar jeden Kanton, für ein gewisses Kontingent an Fahrenden Plätze bereitzuhalten. Das «Kontingent» sei aber nirgends beziffert.

Laut Gerzner bräuchte es für die Schweizer Jenischen in jedem Kanton drei bis fünf Durchgangsplätze (für die Reise) und mindestens zwei Standplätze (für den Winter). Besonders wichtig: In der Nähe des Standplatzes muss eine Schule liegen.



Was kommt jetzt? Fahrende beobachten das Eintreffen der Polizei, auf der besetzten kleinen Allmend in Bern.

Was kommt jetzt? Fahrende beobachten das Eintreffen der Polizei, auf der besetzten kleinen Allmend in Bern. (Bild: GIAN EHRENZELLER)

Dass der seit vielen Jahren schwelende Unmut der Jenischen erst jetzt aufgebrochen ist, liegt nicht zuletzt in der Geschichte begründet. Lange Zeit waren Fahrende verfolgt und verfehmt worden. «Die ältere Generation scheute sich, aufzustehen», sagte Gerzner.

Jetzt sei aber eine junge Generation herangewachsen, Familien mit kleinen Kindern, dank technologischer Entwicklung gut vernetzt, informiert und kämpferisch. Sie haben sich jetzt erhoben, pochen auf Gerechtigkeit, Anerkennung und Transparenz. Und auf der neuen Generation ruhen die Hoffnungen der Fahrenden.

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