Mit dem AKW Mühleberg wird in der Schweiz erstmals ein Leistungsreaktor stillgelegt. Der Rückbau beginnt 2019 und dauert 15 Jahre. Wie man ein AKW samt radioaktivem Abfall fachgerecht entsorgt, erklärten BKW- und Behördenvertreter der lokalen Bevölkerung.
Rund 450 Personen aus Mühleberg und Umgebung hatten sich für den ersten von insgesamt drei Informationsanlässen in der Region angemeldet. Das grosse Interesse zeige, wie wichtig es sei, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten, erklärte BKW-Chefin Suzanne Thoma am Dienstagabend vor den Medien.
Bei den Stilllegungsarbeiten gälten die gleich hohen Sicherheitsstandards wie im Leistungsbetrieb. Für die Lebensqualität in der Region seien keine Auswirkungen zu erwarten, betonte Thoma. In Mühleberg kommt ein direkter Rückbau zur Anwendung, so dass das Areal ab den 2030er-Jahren neu genutzt werden kann.
Eine Alternative wäre ein so genannt «sicherer Einschluss» gewesen: die Brennelemente zu entfernen und dann die Hülle für fünfzig Jahre stehen zu lassen. Die Aufsichtsbehörde ENSI gab jedoch dem direkten Rückbau den Vorzug. Dieser sei technisch erprobt, ermögliche dem Personal Perspektiven und erlaube eine solide Kostenberechnung, so Thoma.
800 Mio. Franken und 200’000 Tonnen Bausubstanz
Die Stilllegung kostet insgesamt 800 Millionen Franken – etwas mehr als die Hälfte wird aus dem Stilllegungsfonds für Kernanlagen finanziert. Den Rest bezahlt die Betreiberin BKW.
Für den Rückbau werden während 15 Jahren durchschnittlich 200 Mitarbeitende benötigt. Heute beschäftigt das AKW Mühleberg 350 Mitarbeitende sowie 150 Zulieferer.
Vom Netz geht der Reaktor 2019. Dann beginnt der nukleare Rückbau von innen nach aussen. In den Jahren 2021-2014 werden die Brennelemente in Spezialbehältern abtransportiert. Dazu sind jährlich rund dreissig Fahrten nötig.
Da Brennelement-Transporte bereits im laufenden Betrieb stattfänden, sei dies kein neuer Vorgang, betonte Thoma. Sind alle Brennelemente weg, reduziert sich die Radioaktivität im AKW um 98 Prozent.
In den folgenden Jahren (2024-2031) wird das verbleibende radioaktive Material abtransportiert – mit durchschnittlicher einer Fahrt pro Tag.
Ziel ist es, das ausgehöhlte AKW im Jahre 2031 aus der Unterstellung unter das Kernenergiegesetz zu «befreien». Erst dann wird mit dem Abbruch der Gebäudehülle begonnen. Insgesamt müssen rund 200’000 Tonnen abgebaut werden – rund 1,5 Prozent davon gehen in ein Tiefenlager.
Weltweit 150 Reaktoren stillgelegt
Walter Steinmann, Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE), wies an der Informationsveranstaltung darauf hin, dass die Details einer AKW-Stilllegung bereits seit 2005 im Kernenergiegesetz festgelegt seien.
Sobald die BKW das Stilllegungsprojekt bei den Behörden einreiche, erfolgt nebst der Sicherheitsprüfung eine öffentliche Auflage mit Einsprachemöglichkeiten. Die BKW will das Gesuch bis Ende 2015 einreichen. Nach diesem Zeitplan dürfte die Verfügung zur Stilllegung Mitte 2018 erfolgen.
Laut Steinmann wurden weltweit bisher 150 Leistungsreaktoren ausser Betrieb genommen. In der Schweiz wurden bisher das Versuchsatomkraftwerk Lucens sowie Forschungsreaktoren stillgelegt. Mühleberg ist seit 1972 am Netz und nach den AKW von Beznau I (1969) und Beznau II (1971) das drittälteste Atomkraftwerk der Schweiz.
Der Energiekonzern BKW hatte 2013 angekündigt, das AKW Mühleberg bis 2019 vom Netz nehmen zu wollen. Eine Volksinitiative, die eine sofortige Abschaltung verlangte, wurde im Mai 2014 vom Berner Stimmvolk mit fast 64 Prozent Nein deutlich verworfen.
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