Sodom und Gomorrha in Basel, wirklich?

In Basels Rotlichtmilieu weht ein härterer Wind. Ein Sündenpfuhl biblischen Ausmasses, wie kürzlich behauptet, ist die Szene aber nicht.

In Basels Rotlichtmilieu weht ein härterer Wind. Ein Sündenpfuhl biblischen Ausmasses, wie kürzlich behauptet wurde, ist die Szene aber nicht.

Eine «Rotlicht-Explosion» ohnegleichen bahne sich in Kleinbasel an, warnte LDP-Grossrat André Auderset kürzlich in einem politischen Vorstoss. Anwohner der Ochsen- und Webergasse beklagten sich bei ihm, dass «nahezu täglich Busse mit je rund einem Dutzend Prostituierter dieses Geviert anfahren», dass die «ortsfremden Damen» durch ein «sehr offensives Verhalten auffallen», durch das «Liegenlassen von Resten und Verpackungen für ein bislang in diesem Ausmass nicht bekanntes Litteringproblem sorgen» und, schlimmer noch, dass die Frauen gar «ihre Notdurft auf offener Strasse und in Hauseingängen verrichten».

Basel, ein Sündenpfuhl biblischen Ausmasses?

Von wegen, wie die Recherchen zu unserer Titelgeschichte zeigen. Matthias Oppliger und Renato Beck waren vor Ort und haben mit Sexarbeiterinnen, Salonbetreibern und Betreuerinnen von Beratungsstellen gesprochen. Ihr Fazit: In den «Toleranzzonen», also dort, wo der Strassenstrich erlaubt ist, herrscht kein Sodom und Gomorrha. Der Konkurrenzdruck unter den Sexarbeiterinnen aber steigt und zwingt die Frauen zu unwürdigen Konzessionen gegenüber Freiern und Zuhältern.

Bei der Milieukontrolle gibt es in Basel grossen Nachholbedarf.

Laut einer Erhebung hat sich die Zahl der Prostituierten in Basel-Stadt zwischen 2008 und 2012 auf über 3250 fast verdoppelt. Grund für die Zunahme ist die Personen­freizügigkeit. Immer mehr Frauen, vor allem aus Osteuropa, suchen ihr Glück in der reichen Schweiz. Sie verdienen in den Animierbars fast nichts und zahlen Wucherpreise für Zimmer.

Helfen würden ihnen strengere Kontrollen der Club- und Salonbetreiber sowie die Durchsetzung von gesetzlichen Minimalstandards. Bei der Milieukontrolle gibt es in Basel grossen Nachholbedarf.

Ein Prostitutionsverbot, wie es neuerdings auch hierzulande gefordert wird, wäre jedoch fatal, warnen Fachleute wie Viky Eberhard von Aliena, die Basler Sexarbeiterinnen berät. Durch derlei realitätsferne Massnahmen lässt sich der Menschenhandel nicht eindämmen. Die prekären Arbeitsbedingungen der Frauen würden sich im Gegenteil markant verschlechtern.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 29.11.13

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