Zwischen Traum und Wirkklichkeit. Ein Junge kämpft mit seinem Heldenvater um die Wirklichkeit. Ihm glückt es. Dem Film nicht ganz.
Der dreizehnjährige Achilles träumt sich einen Helden als Vater. Erst lernt er ihn im Hochglanztraum kennen. Dann im richtige Leben – als Räuber, als Geliebter der Mutter, als Angeber, als Erpresser der Mutter. Nach vierzehn Jahren Leben ausschliesslich mit seiner Mutter, sieht Achilles seinen Vater zum ersten Mal, als dieser aus dem Gefängnis kommt. Dann beginnt die Gangster-Ballade von Séverine Cornamusaz.
Achille liebt das Bild, das er sich von seinem Vater macht. Er bringt damit seine Mutter, die in der Zwischenzeit mit einem anderen Mann eine Beziehung lebt, in Entscheidungsnot. Um ihrem Sohn zu ermöglichen, sich dem Vater anzunähern, bandelt auch sie wieder mit ihm an, als er aus dem Gefängnis entlassen wird.
Doch jetzt haben Mutter und Sohn ein Problem. Mutters Neuer. Achille verachtete ihn. Doch der Neue will bei der Mutter einziehen. Er will der Ziehvater des Sohnes sein. Er will der Mutter im Beruf helfen. Der Heldenvater hingegen, der Ganove, bringt Gewalt und Rechthaberei ins Haus. Nach einem Drittel des Filmes steht ein klassisch tragisches Dreieck im Raum: Der Sohn liebt seinen richtigen Vater und hasst den Ziehvater. Die Mutter will dem richtigen Vater mit dem Sohn eine Chance geben. Der neue Freund will die Mutter am liebsten – ohne Achilles.
Nicht zufällig entstammen einzelne Namen der griechischen Heldenwelt, wo Frauen lange alleingelassen werden, die Söhne der Väter heiraten, oder Männer auch mal wirkliche Helden sind. Doch, so beziehungsreich das klingt: Das bleibt in der Kanadisch-Schweizerischen Koproduktion zu durchsichtig.
In leidlich planen Seriendialogen wird da wenig Geheimnis um die Figuren entwickelt. Die Geschichte läuft geradlinig auf die Katastrophe zu. In ebenso durchsichtigen Traumsequenzen werden wir auf eher unglaubwürdige Wendungen im Skript vorbereitet. Das ändert nur wenig daran, dass die Schauspieler kaum die Widersprüche ihrer Figuren öffnen können. Sie dienen alle, brav, der Entwicklungsgeschichte des Dreizehnjährigen.
Nach der Hälfte des Films schliessen wir Wetten ab, welche Zuspitzung wohl eintreten werde. Doch es kommt nicht zu der erwarteten Katastrophe. Es tritt eine ganz andere ein -zum Glück. Jetzt gewinnt der Film seine eigentliche Kraft: Achilles muss alles alleine verarbeiten. Von den Erwachsenen im Stich gelassen, findet er wenigstens seine erste zarte Liebe. Dort geht der Film richtig unter die Haut: Der Junge Achilles zeigt erstaunlich viel mehr Verstand als beide Erwachsenen zusammen. Er bleibt auch – ganz seinem griechischen Vorfahren gemäss – der Tragik seiner namentlichen Verstrickungen treu: Fast würde er seinen Vater noch umbringen und überlebt auch selber nur knapp das Ende. Das ist das grossartige am Film. Dass er sich auf den Jungen noch rechtzeitig besinnt: Er ist der eigentliche Held.
Es ist ein arg zugespitztes Scheidungsdrama, mit schablonisierten Elternfiguren. Das Gangster-Milieu dient als farbige Kulisse, um eine Scheidungsgeschichte drastisch sichtbar zu machen. Spätestens, wenn «Cyanure» auch noch die Gesetze des Milieus bedienen will, stellt sich das als Schwäche heraus.