Solothurn 5: Boys Are Us

Die Native Digitals suchen nach Liebe. Seit der Mausclick die Gefühle beschleunigt ist das nicht einfacher geworden. Peter Luisi wartet mit einer interessanten Spielverabredung auf.   Peter Luisi, wagt, was nur einer der talentiertesten unter den jungen Regisseuren sich trauen darf: Er lädt uns zum denken ein. Er verheimlicht uns auch nicht worüber. Er spannt […]

Die Native Digitals suchen nach Liebe. Seit der Mausclick die Gefühle beschleunigt ist das nicht einfacher geworden. Peter Luisi wartet mit einer interessanten Spielverabredung auf.

 

Peter Luisi, wagt, was nur einer der talentiertesten unter den jungen Regisseuren sich trauen darf: Er lädt uns zum denken ein. Er verheimlicht uns auch nicht worüber. Er spannt uns auch gar nicht erst auf die emotionale Folter. Er verschwendet unsere Zeit nicht mit langfädigen Figurenhintergründen. Er formuliert gleich zu Beginn von «Boys Are Us», eine Lehrstück-These. Liebe produziert Opfer. Oder Täter. Dann lässt er zwei Schwestern sich an den Männern rächen. Das macht die Sache schon fast  oldschoolmässig. Eine Intrige in der Art wie Marivaux sie uns gerne präsentiert, oder der Very very Old School Shakespeare.

Wer dermassen oldsschoolmässig loslegt, riskiert viel. Wer sich dann noch mit lauter Laien umgibt, die die Rollen spielen, der ist eigentlich schon voll das Opfer. Luisi aber hat sich bravourös der Aufgabe gestellt. Er greift in die Filmzauberkiste. Die drei Geschichten nämlich, die er mit den drei Jungs erzählt, die verschneidet er derart ineinander, dass bald nicht mehr kenntlich wird, warum überhaupt drei Jungs in der Geschichte sind: Wäre da eben nicht – very Old School – zwischendurch der dramaturgische Kniff, dass das eine Mädchen, das ja auch Autorin werden will, jedem der Jungs, zur Sicherheit gleich drei Mal, die Theorie der menschlichen Freiheit des Handelns vordenkt, und uns die Antwort überlässt, wie die drei sich wohl entscheiden werden. Derart verschnitten, und intellektuell herausgefordert, rasen wir nun auf den Schluss der Intrige zu.

Dazwischen fängt Luisi viel Teenie-Leben ein, zappt sich durch die Digital Natives (oder Naivs?), ist sich auch nicht zu schade, hier mal eine SMS, und dort mal einen Shitstorm im Bild zu haben. Erst am Schluss wird uns wieder klar, wie dünn das Eis eigentlich ist, auf dem die Laien tanzen. Beim finalen Showdown würden wir uns wünschen, es wären Schauspielerinnen mit viel Erfahrung vor der Kamera. Da wird dann nicht nur das Leben im Film eine Überforderung für die Kids, sondern auch, sie zu spielen. Das kann dann eben nur, wer selber nicht überfordert ist davon. Das macht die Auflösung des bösen Spiels im Spiel zum Schluss etwas holprig. Trotzdem: Das ist der raffinierteste und simpelste Film über die Schweizer Mausklick-Generation! Wenn da die Lehrer nicht reihenweise mit ihren Klassen hingehen, werden es eben die Schülerinnen selbst tun. Und ich weiss nicht, was für die Lehrer besser ist.

Ich sass in Solothurn mitten in einem Teenie-Schwarm. Es gab kaum ein paar Sekunden im Film, die nicht mit hormongesteuertem Flüstern begleitet gewesen wären. Nur am Schluss war dann mal kurz Stille. Was ist denn das jetzt? Ach … das ist doch —- Denken macht eben doch mehr Spass, wenn Gefühle im Spiel sind, die man teilen kann.

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