Daniela Ryf kann in der Nacht auf Sonntag ihre Triathlon-Karriere krönen. An der Ironman-WM auf Hawaii will sie als erste Schweizerin nach der sechsfachen Gewinnerin Natascha Badmann triumphieren.
Die immer noch als Profi-Triathletin aktive Badmann (48) hatte zwischen 1998 und 2005 auf Hawaii die Konkurrenz insgesamt sechs Mal hinter sich gelassen. Badmann war bei ihrem ersten Triumph auf Hawaii 1998 schon fast 32-jährig. Ryf ist erst 28.
Genau wie Badmann (1996) war Ryf bei ihrem Debüt auf Hawaii Zweite. Ryf wurde im Vorjahr auf Big Island nach 3,8 km Schwimmen und 180 km Radfahren erst auf den letzten Kilometern des Marathons von der erfolgreichen Titelverteidigerin Mirinda Carfrae (Au) abgefangen. Sollte Ryf die Laufstrecke erneut mit rund einer Viertelstunde Vorsprung auf Carfrae in Angriff nehmen, dürfte ihr die dreifache Ironman-Weltmeisterin kaum mehr gefährlich werden.
Denn Ryf hat in diesem Jahr unter Trainer Brett Sutton (Au) vorab auch an einer Steigerung ihrer Laufperformance gearbeitet. Und bei günstigeren (Wind-)Bedingungen als im Vorjahr könnte die Solothurnerin in ihrer Paradedisziplin davor schon den vier Jahre alten Radrekord von Landsfrau Karin Thürig unterbieten (4:44:20 Stunden).
Wie 2014 ist Ryf vor dem Start in Hawaii noch ungeschlagen. Dabei imponierte sie mit ihrem Streckenrekord (8:51:00) an der Ironman-EM vom Juli in Frankfurt am Main. Ebenso unangefochten und bei beträchtlicher Hitze verteidigte Ryf vor sechs Wochen ihren WM-Titel im sogenannten 70.3-Format (halbe Ironman-Distanz). Ryf kann somit als erst zweite Frau nach Leanda Cave (Gb/2012) im gleichen Jahr das WM-Double mit dem Gewinn der 70.3 sowie dem Ironman Hawaii schaffen.
Im Schatten der U23-Weltmeisterin und Olympia-Siebten von 2008 qualifizierten sich drei weitere Schweizer für das Profifeld auf Hawaii: Caroline Steffen (37), Ronnie Schildknecht (36) sowie Rookie Jan van Berkel (29). Steffen schaffte seit 2010 und ihrem ersten Start im Profifeld auf Hawaii immer Topklassierungen. Sie war schon zweimal Zweite (2010 und 2012) und dreimal Fünfte.
Die Wahl-Australierin, in diesem Jahr unter anderem jeweils Dritte am Ironman Melbourne sowie der Ironman-EM, zählt zum erweiterten Favoritenkreis. Diesem gehören auch die Vorjahres-Dritte Rachel Joyce (Gb), Julja Gajer (De) oder die wie Ryf von Sutton trainierte Mary Beth Ellis (USA) an.
Schildknecht als Top-Ten-Anwärter
Bei den Männern hat Ronnie Schildknecht auf Hawaii seit seinem imponierenden 4. Rang von 2008 nie mehr die Top Ten erreicht. Im Vorjahr wurde er nach seiner Qualifikation in letzter Minute immerhin respektabler Zwölfter. Heuer ist Schildknecht noch stärker einzustufen, zumal er vor dem Saisonhöhepunkt den Vertrag beim belgisch-schweizerischen Triathlon-Team BMC um zwei Jahre verlängerte und damit als Familienvater über Planungssicherheit verfügt.
Schildknecht sicherte sich nicht nur das Ironman-WM-Ticket frühzeitig im Mai mit einem dritten Rang an der nordamerikanischen Ironman-Meisterschaft in Texas, sondern baute im Juli bei Wind und Hitze am Ironman Switzerland seine Heim-Titelserie auf acht aus. «Mein Ziel hier ist eine solide Radzeit. Im Marathon will ich dann nach Kilometer 16 noch Plätze gutmachen. Dann beginnt das Rennen erst richtig», erklärt der Zürcher.
Die verblüffenden zweiten Plätze der Underdogs Luke McKenzie (Au/2013) und Ben Hoffman (USA/2014) geben Schildknecht die Gewissheit, dass auch er mit einem Top-Tag wieder weit vorne landen kann. Der Schweizer Ironman-Rekordsieger (total 10 Titel) begab sich für die finale Vorbereitung schon vier Wochen vor dem Rennen nach Kona – so früh wie nie zuvor.
Eine gute Akklimatisierung ist für ein Top-Abschneiden in Hawaii elementar. Denn Seiten- und Gegenwind sowie Hitze, fehlender Schatten, Höhenmeter und keine Zuschauer auf dem Highway im Radfahren und im Laufen werden auch Neuling Jan van Berkel alles abverlangen.
Der Zweite des Ironman Switzerland verblüffte vor sechs Wochen mit Rang 7 an der WM über die halbe Ironman-Distanz und realisierte damit sein international wertvollstes Resultat. In Hawaii dürfte es für den Zürcher Unterländer indes in erster Linie darum gehen, Erfahrungen zu sammeln. Ein Vorstoss in die Preisgeld-Ränge (Top 10) liegt für Van Berkel kaum drin.
Der in Hawaii als Titelverteidiger antretende Sebastian Kienle (De) wird sich wohl wie zuletzt in Frankfurt und Zell am See mit dem ersten Ehrenplatz begnügen müssen. Als Topfavorit gilt nämlich Landsmann Jan Frodeno. Der Ironman-Europameister würde als erster Olympiasieger auf Hawaii triumphieren. Frodeno gewann 2008 in Peking Olympia-Gold.
Die Belgier Frederik van Lierde (Sieger 2013) und Marino Vanhoenacker (siegte am Ironman Brasilien in 7:53:44 Stunden!), der Vorjahres-Vierte Andy Potts (USA) und mit Nils Frommhold (Vorjahres-Sechster und Sieger Challenge Roth) ein weiterer Deutscher gelten als erste Anwärter für die folgenden Plätze.