Die Sozialkommission des Nationalrates (SGK) hat sich für ein stufenloses IV-Rentensystem ausgesprochen. Mit der Massnahme, die zur 6. IV-Revision gehört, sollen pro Jahr 150 Millionen Franken gespart werden.
Anders als der Ständerat will die SGK bisherige IV-Rentner unter 55 Jahren von diesen Kürzungen nicht verschonen. Der Entscheid fiel mit 13 zu 12 Stimmen äusserst knapp aus, wie SGK-Präsident Stéphane Rossini (SP/VS) am Freitag in Bern vor den Medien sagte.
Die Kommission empfiehlt ihrem Rat damit, dem Bundesrat zu folgen. Dieser schlägt vor, im Rahmen der zweiten Etappe der 6. IV-Revision statt dem heute vierstufigen Rentensystem mit Viertelrenten, halben Renten, Dreiviertelrenten und Vollrenten ein stufenloses System einzuführen.
Bundesrat und SGK wollen das neue System nicht nur für neue, sondern auch für bisherige Renten einführen: Allerdings nur dann, wenn die betroffene Person einen Invaliditätsgrad von mehr als 50 Prozent hat. Über 55-Jährige sollen zudem von Rentenkürzungen verschont bleiben.
Strenger als der Ständerat
Dem Ständerat waren diese Anpassungen der laufenden Renten im Hinblick auf eine Volksabstimmung zu heikel gewesen: Er hatte sich im vergangenen Dezember zwar ebenfalls für das stufenlose System ausgesprochen, wollte die heutigen IV-Rentner aber weitgehend verschonen. Die kleine Kammer nahm dafür in Kauf, statt 150 Millionen bloss 70 Millionen Franken pro Jahr einzusparen.
Ein Rentenanspruch entsteht auch mit dem stufenlosen System ab einer Invalidität von 40 Prozent. Wer zu 40 Prozent invalide ist, erhält eine 25-Prozent-Rente. Bei einem Invaliditätsgrad zwischen 40 und 49 Prozent steigt die Rente pro IV-Grad um 2,5 Prozent, ab 50 Prozent entspricht sie jeweils exakt dem IV-Grad. Eine volle Rente gibt es ab einem Invaliditätsgrad von 80 statt wie heute 70 Prozent.
Weniger Geld für Reisen und Kinderrenten
Weniger grosszügig als Bundesrat und Ständerat will die SGK die Reise- und Verpflegungskosten vergüten. Die Kommission sprach sich mit knappen Mehrheiten für verschiedene zusätzliche Kürzungen aus und will dadurch insgesamt 35 Millionen Franken pro Jahr einsparen.
Weiter will die SGK das Taggeld kürzen, das bei Eingliederungsmassnahmen bezahlt wird: Versicherte ohne Unterhaltspflichten sollen statt 80 Prozent des letzten Erwerbseinkommens nur noch 70 Prozent erhalten.
Zudem sprach sich die SGK deutlich für eine Kürzung der Kinderrenten aus. Die Zulagen für Eltern, die IV beziehen, soll statt 40 Prozent der IV-Rente nur noch 30 Prozent betragen. Aus „abstimmungstaktischen Gründen“ beantragt die SGK ihrem Rat zudem, im Gesetz den Begriff „Kinderrente“ zu streichen und mit der neutraleren Bezeichnung „Zulage für Eltern“ zu ersetzen.
360 Millionen pro Jahr
Insgesamt will die SGK mit den Massnahmen im Rahmen der zweiten Etappe der 6. IV-Revision ab 2015 rund 360 Millionen Franken pro Jahr einsparen. Ziel ist es, bis 2025 die defizitäre Invalidenversicherung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
In der Gesamtabstimmung hiess die SGK das zweite Massnahmenpaket der 6. IV-Revision mit 14 zu 11 Stimmen gut. Knapp mit 13 zu 12 Stimmen verwarf die SGK einen Rückweisungsantrag von Maja Ingold (EVP/ZH), die die umstrittensten Kürzungen etwa bei den Kinderrenten oder den Reisekosten in eine weitere Vorlage ausgliedern wollte. Der Nationalrat wird über 31 Minderheitsanträge befinden müssen.
Folgt die grosse Kammer den Empfehlungen ihrer Kommission, bestehen verschiedene Differenzen zum Ständerat. Dieser hatte sich im Dezember zu Einsparungen von jährlich 250 Millionen durchgerungen. Der Bundesrat schlägt 325 Millionen vor. „Es ist klar, dass die Differenzen zum Ständerat nicht innerhalb von einer Session bereinigt werden“, sagte Rossini.