Die SP will mehr Mitbestimmung für die Arbeitnehmenden. Am Parteitag in Thun haben die Genossen am Samstag deshalb das umstrittene Positionspapier zu «Wirtschaftsdemokratie» deutlich angenommen. Der Rückweisungsantrag des rechten Parteiflügels scheiterte.
Dem Entscheid ging eine mehrstündige Diskussion voraus. Ein Rückweisungsantrag des rechten Parteiflügels um die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer und den Zürcher Ständerat Daniel Jositsch hatte 26 mehrminütige Wortmeldungen zur Folge.
Im Antrag heisst es, das Papier solle so überarbeitet werden, «dass es mit dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft übereinstimmt». Das Positionspapier sei in der vorliegender Form «dirigistisch geprägt» und «weit entfernt» von der wirtschaftlichen Realität.
Vor mehreren Hundert Delegierten sagte Bruderer, dass es ihr nicht darum gehe, die Partei zu spalten. «Es geht mir darum, die Breite unserer Partei aufzuzeigen.» Sie forderte eine Überarbeitung des Papiers, damit dieses in der Partei besser abgestützt und in der Lebensrealität der Menschen besser verankert sei.
Die Berner Nationalrätin Evi Allemann unterstützte den Rückweisungsantrag ebenfalls. Sie kritisierte, dass die Herausforderungen der Digitalisierung nicht im Papier erwähnt sind. «Die Digitalisierung gehört zuoberst auf unsere Agenda», sagte sie. Zudem sei das Papier in einem «verstaubten Polit-Slang» verfasst.
«Mutig und zukunftsweisend»
Zahlreiche Redner stellten sich aber auch hinter das Papier. So argumentierte die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer, dass die bisherige «Pflästerlipolitik» nicht genüge. «Es reicht nicht, wenn der Staat dort eingreift, wo die Wirtschaft versagt», sagte sie.
Für Meyer steht das Positionspapier für eine Politik, die «am Kern» ansetze, «an der ungleichen Verteilung von Macht». Das laut zu sagen, sei «nicht realitätsfremd», sondern «mutig und zukunftsweisend».
Auch Parteichef Christian Levrat warb für das Papier: Die Parteileitung suche damit Wege, um etwas mehr Demokratie in die Wirtschaft zu bringen, sagte er. «Nicht mehr und nicht weniger.»
Levrat äusserte sich schliesslich zum Vorwurf, dass die SP mit diesem Papier den Klassenkampf wiederbeleben wolle. Der gegenwärtige Klassenkampf, sagte er, werde nicht von entfesselten Arbeitern geführt, sondern «von den feudalen Büros der Multis und der Hochfinanz in New York, Dubai und Genf aus».
Die Mehrheit der Anwesenden folgten schliesslich der Geschäftsleitung und lehnten den Rückweisungsantrag ab. Das Papier wurde letztlich sehr deutlich genehmigt – so deutlich, dass nicht einmal die Stimmen ausgezählt werden mussten.
Auch die über 30 eingegangenen Änderungsanträge wurden mehrheitlich abgelehnt. Ein Antrag der Juso, welche das «Privateigentum an den Produktionsmittel» grundsätzlich infrage stellen wollte, wurde zunächst überwiesen.
Nach einem Rückkommensantrag der Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran entschieden sich die Besucher des Parteitages aber um und lehnten auch diesen Änderungsantrag ab.
Überwindung des Kapitalismus konkretisieren
Mit dem Positionspapier will die SP den Rahmen für ihre künftige Wirtschaftspolitik abstecken. «Die Wirtschaft muss sozialer, demokratischer und ökologischer gestaltet werden», heisst es in der Einleitung.
Nach den Worten von Parteipräsident Levrat soll das Papier die im Parteiprogramm enthaltene Forderung nach einer «Überwindung des Kapitalismus» konkretisieren.
Konkret werden 20 Forderungen aufgelistet, darunter mehr Mitbestimmungsrechte für die Mitarbeitenden von Unternehmen. So fordert das Papier, dass ab einer bestimmten Unternehmensgrösse eine Mitarbeitendenvertretung in den Leitungsgremien obligatorisch wird.