Einmal im Jahr sieht der der kleine ostspanische Ort Buñol rot, am Mittwoch war es wieder so weit: Etwa 22’000 Besucher stürzten sich in «La Tomatina», ein verrücktes Spektakel, bei dem sich alle mit Tomaten bewerfen und in der Tomatenmatsche wälzen.
Während der rund eine Stunde währenden Schlacht verwandelten sich dieses Mal 160 Tonnen überreifer Tomaten erst in Wurfgeschosse und dann in Ketchup.
Das Fest soll angeblich im Jahr 1945 aus einer Schlägerei unter jungen Leuten auf einem Markt entstanden sein. Die während der Franco-Diktatur verbotene «Tomatina» wird heute als Fest von nationalem Interesse eingestuft.
Und die Behörden des 9000-Einwohner-Orts in der Nähe von Valencia werden als moderne Alchemisten bewundert: Denn sie wissen um das Geheimnis, wie sich Tomatenmatsch in pures Geld verwandeln lässt.
2002 liessen sie die «Tomatina» als eigene Marke registrieren. Seitdem verdienen sie jedes Mal, wenn die Schlacht in Filmen oder in der Werbung auftaucht – bei jedem Dreh kann der Ort mit umgerechnet rund 330’000 Franken an Einkünften rechnen für die Rechte, die Unterkunft der Teams und ihr Essen, wie aus der offiziellen «Tomatina»-Website hervorgeht. Dazu kommen die vor drei Jahren eingeführten Eintrittsgelder für die Teilnahme an dem kindischen Vergnügen.
Tomatenschlacht als finanzieller Segen
Wie ganz Spanien war auch Buñol von der Finanz- und Immobilienkrise schwer gebeutelt, doch dank der Tomaten läuft es in dem kleinen Ort inzwischen wieder wie geschmiert. Kein Wunder, dass auch andere von dem lukrativen Spass profitieren wollen: Kopien der «Tomatina» gab und gibt es in Kolumbien, Chile, Kuba, Indien, Südkorea und den USA.
Das Rathaus von Buñol steht allen Nachahmern mit Rat und Tat zu Seite. Kostenlos, denn: «Am Ende des Tages will jeder das Original miterleben, das heisst unseres, und somit haben wir nur Vorteile davon», sagt Bürgermeister Rafael Pérez.
In der Hoffnung auf ähnlichen finanziellen Segen sind inzwischen auch andere spanische Gemeinden auf die Idee gekommen, ihre Feste als Marke registrieren zu lassen. Zu ihnen gehört der «Boloencierro» von Mataelpino, eine alternative Form der Stierhatz, bei der die Wagemutigen statt vor einem Stier vor einer 200 Kilogramm schweren Styroporkugel die abschüssigen Gassen hinunterlaufen.
Originelle Alternativen
Die Idee kam dem 1700 Einwohner zählenden Dorf vor sechs Jahren, als es mitten in der Krise kein Geld mehr für seinen «Encierro», die traditionelle Stierhatz, hatte. Bald wollen sechs weitere Orte Mataelpinos Beispiel folgen.
Seinerseits hofft das Dorf Haro in der nordspanischen Region Rioja, das Prädikat «Fest von nationalem Interesse» für seine «Weinschlacht» zu erhalten. Dabei begiessen sich tausende Einwohner und Touristen jedes Jahr im Juni mit Hilfe von Wasserpistolen, Eimern und Weinschläuchen mit rund 75’000 Litern des Rebensafts.