Es geht ans Eingemachte. Start in die K.o.-Phase der Euro 2012 mit Tschechien gegen Portugal. Wie immer wärmstens empfohlen: Ein Abstecher ins Fussballmekka im Hinterhof.
Knockout-Phase – es gibt Leute, die sagen, so ein Turnier beginnt erst dann, wenn es nur noch um eines geht: «Tod oder Gladiolen» (Louis van Gaal). Da Unerhörtes geschehen ist (erstmaliges Ausscheiden der niederländischen Fussballlandschaftspfleger mit null Punkten), müssen es andere rausreissen.
Freuen wir uns also auf heute Abend und den ersten Viertelfinal, wo Portugal mit der Hoffnung seiner selbst – Cristiano Ronaldo – und Tschechien mit dem vielleicht bemitleidenswertesten Stürmer dieser Euro aufeinandertreffen: Milan Baros.
Ronaldo, der pfauigste Fussballer auf Gottes Erden, hat gegen Holland immerhin eines geschafft: Er hat in einem Turnier mal zwei wichtige Tore erzielt. Die vier anderen, die bisher zu Buche standen, waren mehr oder minder unbedeutend. Er hat es also allen gezeigt. Als hinreissend wird seine Performance im letzten Gruppenspiel besungen. Von Frisur keine Rede.
Milan Baros war mal Torschützenkönig der Euro. Das war 2004, damals mit fünf Toren in Portugal, als die Tschechen die Halbfinalpointe in einem schlechten Witz waren. «Griechenland Europameister» – diese Gleichung geht auch acht Jahre danach schwer über die Lippen. Dazu dieser Tage mehr.
Baros also. Wurde in der Heimat stets zwischen Genie und Wahnsinn angesiedelt, oder zwischen der Heiligen Jungfrau Maria, die als Tattoo in seinen Rücken geritzt ist, und 271 Stundenkilometern, mit denen er mal von der Polizei in seinem Ferrari gemessen wurde. Schnell ist er nimmer, er kickt, inzwischen 30-Jährig, bei Galatasaray und in den letzten zwei Jahren hat er ein einziges Tor für die Nationalmannschaft erzielt.
Sein Leistungsausweise in diesem Turnier: Mit 14 Fouls Erster in dieser Statistik, was für einen gewissen Einsatz spricht, und immerhin ein Assist. Sein Trainer Michal Bilek sagt: «Er hat alles gegeben.» Sein 93. Länderspiel bestreitet Baros gegen Portugal für die «Reprezentace», und 41 Tore hat er für sie erzielt. Nur der in jeglicher Hinsicht grosse Jan Koller hat mehr (55).
Warum wir das erzählen? 2004, im Viertelfinal gegen Dänemark (3:0), erzielte Milan Baros zwei Tore. Ein Stern war aufgegangen. Und so, wie die Tschechen bisher an dieser Euro aufgetreten sind, würde es nicht weiter Wunder nehmen, wenn dieser Baros… Vielleicht einen schnöden Abstauber. Oder eben halt doch Cristiano Ronaldo.
Zu besichtigen das Ganze nach einer eintägigen Verschnaufpause wie immer (unter anderem) im Hinterhof, da, wo Fussballgucken in entspannter Atmosphäre möglich ist, ein bisschen Beiprogramm geboten wird, das Bier (5 dl) aber auch seine acht Franken macht, und damit mehr als doppelt so teuer ist wie das Bier (auch von einem Konzern, nur einem anderen) in den polnischen Euro-Stadien.
Die Euro 2004 und die zehn schönsten Tore zum Geniessen:
Noch ein bisschen was für alle Erbsenzähler:
• 60 Tore sind bisher erzielt worden, macht einen Schnitt von 2,5, womit wir uns auf dem Niveau der beiden vorhergehenden Turniere bewegen.
• 17 Kopfballtore (28,3 Prozent) waren darunter, womit die Anzahl von 2008 (15 | 19,5 Prozent) deutlich übertroffen ist.
• Kein einziges Null-zu-Null in den 24 Gruppenspielen – das gab es noch nie, seit das Format 1996 auf 16 Teilnehmer umgestellt wurde.
• 15 Sekunden nur war Andreij Schewtschenko gegen Schweden in Ballbesitz – das reichte, um zwei Kopfballtreffer zum 2:1-Sieg zu erzielen. Zwei Sekunden länger hatte Mario Gomez die Kugel gegen Holland bei sich – und machte zwei Kisten daraus.
• 21 Mal hat Cristiano Ronaldo abgezogen, 13 Mal aufs Tor – in beiden Wertungen führt der Portugiese. Spanien (38) und die Franzosen (36) führen die Teamwertung bei den Schüssen an; Deutschland – das als einzige Mannschaft alle drei Spiele gewann – rangiert mit 19 Schüssen unter ferner liefen.
• 810 Pässe der Spanier haben im Spiel gegen Irland ihren Adressaten gefunden – ein Wert, der noch nie bei einem Endrundenspiel ermittelt wurde. Xavi spielte 127 Pässe – die Iren insgesamt 198. Da soll noch mal einer sagen, das Spiel des Welt- und Europameisters sei sterbenslangweilig.
Wen es schon mal interessiert:
2016 in Frankreich spielt fast die halbe Verbandsbelegschaft der Uefa (53 Mitgliedsländer) mit. 24 Teilnehmer erfordern einen neuen Modus. Es gibt sechs Vierergruppen, die beiden Erstplatzierten kommen in die Achtelfinals, dazu die vier besten Gruppendritten. Erfordert also wieder einiges an Kopfrechnen.