Spieltag 16: Fratelli d‘Italia

Wer nimmt sich Deutschland im Halbfinal zur Brust? England gegen Italien heute in Kiew – und wie immer im Fussballmekka Hinterhof. Das Lied der Italiener, gesungen von Italienern vergangenen Montag in Posen (freihändige Aufnahme: Stefan Kieslich) Man kann sagen was man will, aber an eines kommen die anderen nicht ran: an die Hymne der Italiener. […]

Der Moment der Hymnen: Italien gegen Irland am Montag in Posen.

Wer nimmt sich Deutschland im Halbfinal zur Brust? England gegen Italien heute in Kiew – und wie immer im Fussballmekka Hinterhof.

Das Lied der Italiener, gesungen von Italienern vergangenen Montag in Posen (freihändige Aufnahme: Stefan Kieslich)

Man kann sagen was man will, aber an eines kommen die anderen nicht ran: an die Hymne der Italiener. Die russische taugt auch für Gänsehaut, zumindest seit das gute alte Stück aus sowjetischen Zeiten wieder intoniert wird, was im Jahr 2000 von Wladimir Putin verfügt wurde, womit nicht nur alles schlimm ist, was der Mann treibt. Aber die Russen sind draussen, und die Brasilianer dürfen an der Euro nicht mitmachen, was schade ist, denn ihre Hymne ist nicht nur eine fröhliche Melodie, sondern auch ein weitgehend gewaltfreier Text («Sei gegrüsst, geliebte Heimat, hochverehrte, sei gegrüsst!»).

«Fratelli d‘italia» kommt da schon martialischer daher («Kriegstrompeten, Blut, Tod»), aber welche Inbrunst steckt in diesem patriotischen canto degli italiani. Und wenn es dann erst noch von den Fans der Nationalmannschaft mitgesungen wird, so wie am Montag in Posen vor dem Spiel gegen Irland (2:0)! Natürlich gehört die rothaarige irische Fangemeinde zu den besten dieser Nationalmannschaften. Singend und trinkend und friedlich tingeln sie durch die Städte und Stadien dieser Welt. Wobei: Altstar Robbie Keane hat jetzt angemerkt, die Lieder seien immer so traurig.

Aber die Italiener! Selten so ein leidenschaftliches Mitsingen der Hymne erlebt. Und lassen Sie sich gesagt sein: Ansonsten kann der italienische Nationalmannschaftsfan während eines Spiels nix. Ein flaues «Sforza Italia!», das wars dann.

Heute also «Fratelli d‘italia» gegen «Good save the Queen», 20.45 Uhr in Kiew und für Daheimgebliebene im EM-Studio des Hinterhof in Basel. Dazu sei angemerkt, dass diese beiden grossen Fussballnationen bisher im kontinentalen Turnier reichlich wenig auf die Beine gestellt haben. Italien: einmal Europameister 1968 (zählt schon gar nicht mehr richtig), einmal im Final unterlegen (2000 gegen Frankreich) und dann noch einmal im Halbfinal (1988). Gut, andere würden sich die Finger nach so einer Bilanz schlecken, die Engländer zum Beispiel: einmal Dritter (1968 – siehe oben) und dann noch einmal im Halbfinal bei der Euro 1996 im eigenen Land (im Elfmeterschiessen gegen die Deutschen verloren, was sonst).

Und nun? In Italien hat die Nationalmannschaft wieder die Hoheit gewonnen, sind der Wett- und Manipulationsskandal von den Sportseiten verdrängt worden. Wenn die Azzuri es schaffen, mal länger als eine Stunde gut zu spielen – dann Halbfinal. Und die Engländer? Sind so kleinmütig wie nie zu einem Turnier gekommen, spielen zwar nicht grossartig, aber von seinem Pragmatismus Hodgsonscher Prägung beseelt. Und dieses Von-uns-erwartet-niemand-nix könnte die Engländer gefährlich werden lassen. 

Auf welcher Ebene sich die Engländer mittlerweile verorten, macht ihr Trainer deutlich: «Wenn man Dänemark im Jahr 1992 oder Griechenland 2004 sieht, darf man sich schon fragen: Warum sollten wir es nicht packen?» Klingt ein bisschen wie ein Drohung.

Noch mehr Hymnen gibt es hier. Wer mitsingen will, wird auf der Videotexttafel 888 im ZDF mit Originaltext samt Übersetzung bedient.


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