Im Sprachenstreit wehren sich die Kantone gegen ein Eingreifen des Bundesrats. Eine Volksabstimmung darüber könnte zu einer «nationalen Zerreissprobe» werden, warnen sie in einem Brief an Innenminister Alain Berset. Dieser lässt bereits eine Vorlage vorbereiten.
Im Brief mahnt die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), eine Intervention durch den Bund in der Sprachenfrage bringe «erhebliche Risiken». Sie plädiert daher für «Sachlichkeit und Gelassenheit» in der laufenden Diskussion.
Nach Ansicht der EDK sind die Kantone auf gutem Weg. Die Kantone hätte gezeigt, dass sie willens und in der Lage seien, den Harmonisierungsauftrag der Bundesverfassung zu erfüllen, heisst es im auf der EDK-Webseite veröffentlichten Brief.
Alle Kantone seien bestrebt, im Unterricht der Landessprachen eine hohe Qualität zu erreichen. Die EDK halte an ihrer Sprachenstrategie fest, stellt sie einmal mehr klar. Diese sieht vor, dass in der Primarschule zwei Fremdsprachen gelehrt werden sollen. In mehreren Kantonen wird diese Strategie allerdings in Frage gestellt.
Berset will Machtwort sprechen
Innenminister Berset hatte wiederholt betont, dass der Bund ein Machtwort sprechen würde, sollte ein Kanton definitiv beschliessen, eine zweite Landessprache nicht in der Primarschule zu unterrichten. In einem Brief an die EDK schrieb er Anfang März, angesichts der Bestrebungen in verschiedenen Deutschschweizer Kantone scheine das Ziel einer Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts «konkret gefährdet» zu sein.
Die Anzeichen verdichteten sich, dass der Zeitpunkt für ein Eingreifen näher gerückt sei, hiess es weiter. Berset hat dem Bundesamt für Kultur (BAK) daher bereits den Auftrag erteilt, eine Vernehmlassungsvorlage zu einer entsprechenden Änderung des Sprachengesetzes vorzubereiten.
Diese Arbeiten sind noch im Gange, wie es beim Innendepartement (EDI) am Dienstag auf Anfrage hiess. Den Brief der EDK habe man erhalten. Ob sich der Bund von den Argumenten der EDK überzeugen lässt, ist noch offen: Man werde das Schreiben nun analysieren, hiess es lediglich.
Kein Frühfranzösisch im Thurgau
Der Sprachenstreit schwelt bereits seit längerem. Angeheizt wurde er zuletzt durch den Kanton Thurgau: Die Regierung schickte im Frühling den neuen Lehrplan der Volksschule in die Vernehmlassung, der keinen Französischunterricht in der in der Primarschule mehr vorsieht.
In den Kantonen Zürich und Luzern sind entsprechende Initiativen hängig. Zudem hat der Kanton Glarus beschlossen, Französisch in der Real- und Oberschule nur als Wahlfach anzubieten. Vor allem in der Westschweiz ist die Empörung über diese Entwicklungen gross.