Der neue Chefredaktor des Schweizer Fernsehens SRF, Tristan Brenn, verteidigt den kritisierten Politologen Claude Longchamp. Er spricht ihm für Umfragen und Abstimmungsanalysen das Vertrauen aus. Dennoch soll es im kommenden Wahljahr weniger Umfragen als 2011 geben.
«Es werden 2015 weniger als sechs Umfragen sein», sagte Brenn im Interview mit dem «SonntagsBlick». 2011 hatte Longchamps Institut gfs.Bern sechs Umfragen durchgeführt – und zudem eine im Jahr 2010. Er könne die Kritik der Parteien «ein Stück weit nachvollziehen», dass bei zu vielen Umfragen die Debatte über Inhalte leiden könnte, sagte Brenn.
Mit den Vox-Analysen, die jüngst wegen zu tiefer Angaben über die Stimmbeteiligung von Jungen in die Kritik geraten sind, habe SRF nichts zu tun und diese Kritik wolle er auch nicht beurteilen, sagte Brenn weiter.
«Was Umfragen und Abstimmungsanalysen angeht, vertraue ich Claude Longchamp zu hundert Prozent.» Longchamp mache einen hervorragenden Job und sei am Bildschirm «Gold wert». Berner Politologen seien bei einer Auswertung überdies zum Schluss gekommen, dass die Umfragen – Wahlbarometer genannt – im internationalen Vergleich sehr gut seien.
Studie angekündigt
Longchamp selbst ging in der Sonntagspresse in die Offensive. Er wolle noch in diesem Jahr eine «Spezialstudie» zur Stimmbeteiligung der Jungen beginnen, sagte er der «Zentralschweiz am Sonntag». Er wünscht sich, dass die Diskussionen sich stärker um die unbestritten tiefe Stimmbeteiligung der Jungen drehen würde als um die genaue Zahl der Beteiligung.
In der Studie solle es darum gehen, warum Junge abstimmen gehen oder nicht. «Was steckt dahinter, dass sie der Urne fernbleiben?» Eine Hypothese unter mehreren könnte seiner Ansicht nach sein, dass sich Junge zunehmend «einflusslos» fühlen. «Unsere Gesellschaft altert immer mehr, was auch bedeutet, dass die junge Generation immer mehr zur Minderheit wird.»
Longchamp äussert erneut Bedauern
In der «SonntagsZeitung» bedauerte Longchamp erneut den Fehler um die Stimmbeteiligung, die er mit 17 Prozent angab, welche aber höher liegen könnte. Dass ein Fehler passiert sei, tue ihm «unendlich leid», sagte er. Er habe an der Kritik der vergangenen zwei Wochen stark gelitten – unter anderem, weil er sich stets für eine differenzierte Betrachtung eingesetzt habe.
Keine Verantwortung will er aber für weitere heikle Aussagen übernehmen, die aufgrund von kleinen Gruppen von Befragten – etwa zum Stimmverhalten der FDP- oder CVP-Anhänger – zustande kamen. Dabei ist die statistische Unschärfe beträchtlich. «Ich habe die Daten nur erhoben, nicht interpretiert», sagte er. Dafür waren bei der Februar-Abstimmung die Politologen der Universität Genf zuständig.
Am morgigen Montag kommen die für die Vox-Analysen zuständigen Partner zusammen, um methodische Fragen zu besprechen. Dabei werde die Berechnung der Stimmbeteiligung der Jungen thematisiert, sagte Longchamp. «Überdies bin ich der Meinung, dass wir mögliche Unschärfen noch deutlicher und verständlicher kommunizieren müssen.»