Unterschiedlicher könnten die Anträge von Anklage und Verteidigung für den Messerstecher vom Club Kaufleuten kaum sein: Der Staatsanwalt fordert 20 Jahre Haft wegen Mordes, der Verteidiger 12 Jahre wegen vorsätzlicher Tötung – aufgeschoben zu Gunsten einer Therapie.
Der Staatsanwalt will den jungen Mann zudem wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt sehen. Der Verteidiger plädiert für eine Qualifizierung der zweiten Tat als schwere Körperverletzung. Für seinen Mandanten erachtet er eine Einrichtung für junge Erwachsene als den richtigen Ort.
Vor dem Bezirksgericht Zürich standen am Dienstag drei junge Männer, alle etwa 23 Jahre alt. Der Hauptbeschuldigte hat am frühen Morgen des 15. Juli 2012 vor dem Zürcher Club «Kaufleuten» einen jungen Mann erstochen und dessen Bruder schwer verletzt. Die beiden hatten mit Freunden den 23. Geburtstag des späteren Opfers gefeiert.
Neben dem Hauptbeschuldigten haben sich zwei einstige Schulfreunde zu verantworten. Einer soll ihm das Tatmesser gegeben haben, was er abstreitet. Er ist der Gehilfenschaft zu Mord beschuldigt und soll laut Anklage fünf Jahre ins Gefängnis. Der andere leistete Chauffeurdienste. Für ihn fordert der Staatsanwalt eine 14-monatige bedingte Freiheitsstrafe wegen Begünstigung.
Der Hauptbeschuldigte war in der Tatnacht mit seiner Freundin, dem einen Mitbeschuldigten und einer weiteren Frau im «Kaufleuten». Die Tat als solche hat er gestanden. Strittig sind Vorgeschichte und Ablauf.
In der Befragung vor Gericht sagte der Iraker, das spätere Opfer und dessen Freunde hätten ihn ohne jeden Anlass angegriffen und zusammengeschlagen. Daraufhin habe er per Telefon einen Freund – den zweiten Mitbeschuldigten – herbeigerufen um zu schlichten und ihn an einem Treffpunkt abgeholt. Alle drei fuhren dann zurück zum «Kaufleuten».
Rache in rasender Wut
Laut Staatsanwalt Michael Schiesser war der Hauptbeschuldigte rasend vor Wut, stiess Todesdrohungen aus und wollte blutige Rache nehmen für die vorangegangene Schlägerei. Mit dem Butterflymesser, das sein Kollege ihm gegeben haben soll, sei er aus dem Auto gesprungen, zielgerichtet zum späteren Opfer gerannt und habe zugestochen – heimtückisch, geplant, kaltblütig.
Ganz anders Verteidiger Ivo Horb: Sein betrunkener Mandant habe Frieden schliessen wollen. Er habe sich dann aber erneut bedroht gefühlt. Da sei er von seinen Emotionen überrollt worden und habe zugestochen. Von Berechnung und Kaltblütigkeit könne keine Rede sein.
Weshalb der Messerstecher gleich elfmal zugestochen habe, konnte er selbst nicht wirklich erklären. Er habe schreckliche Angst gehabt, er werde wieder zusammengeschlagen. „Ich war ausser mir“, sagte er.
Der Staatsanwalt erklärte, die Ausführungen des Beschuldigten widersprächen in entscheidenden Punkten den Schilderungen zahlreicher Zeugen. Sein Aussageverhalten wecke grosse Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. „Das Lügen ist ihm offenbar nicht wesensfremd.“
Fehler und Versäumnisse
Der Verteidiger seinerseits kritisierte verschiedene Fehler und Versäumnisse der Ermittlungsbehörden, vor allem zu Beginn der Untersuchungen. Zahlreiche wichtige Befragungen seien erst Wochen oder gar Monate nach der Tat erfolgt – Zeit genug für Absprachen.
Inzwischen sei sein Mandant von Medien und Öffentlichkeit zur „Inkarnation der Mordlust« hochstilisiert worden. Die Opfer dagegen seien als harmlose, nette Besucher des Clubs Kaufleuten dargestellt worden. Die Zeugenaussagen seien deshalb „mit äusserster Vorsicht zu geniessen».
Hohe Geldforderungen
Namens des überlebenden Bruders und der Familie des Opfers stellte deren Rechtsvertreter hohe Genugtuungs- und Schadenersatzforderungen. Zusammen mit der geforderten Prozessentschädigung übersteigt die Gesamtsumme 500‘000 Franken.