Kein erkennbares Motiv, ein unklarer Tathergang, eine verschwundene Pistole und ein Beschuldigter, der zu heiklen Fragen eisern schweigt: Das Zürcher Obergericht hat sich am Montag als zweite Instanz mit einem Tötungsdelikt vom März 2009 befasst. Das Urteil steht noch aus.
Im Februar 2012 hatte das Bezirksgericht Uster einen heute 24-jährigen Kosovaren wegen vorsätzlicher Tötung und Gefährdung des Lebens (anlässlich eines früheren Vorfalls) zu einer Freiheitsstrafe von 13,5 Jahren verurteilt.
Der Staatsanwalt hatte eine 20-jährige Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert, der Verteidiger auf fahrlässige Tötung und eine Maximalstrafe von 39 Monaten plädiert. Beide zogen das Urteil weiter.
Vor dem Obergericht hielt Staatsanwalt Ulrich Weder an den Forderungen der Anklage fest. Die Tat sei unzweifelhaft als Mord einzustufen. Der zur Tatzeit 20-jährige Beschuldigte habe die knapp 17-jährige Zürcher Gymnasiastin kaltblütig regelrecht hingerichtet.
Anders als Staatsanwalt Adrian Kägi vor dem Bezirksgericht erklärte Weder, dass das Tötungsdelikt aus einer Missstimmung oder einem Streit heraus erfolgt sei, lasse sich nicht rechtsgenügend belegen. Solange sich der Beschuldigte nicht zum Motiv erkläre, müsse man annehmen, dass er die junge Frau ohne besonderen Anlass „bewusst und gewollt“ erschossen habe.
Aufgrund dieses Schwenkers in der Anklage muss Weder die Anklageschrift auf Geheiss des Gerichtsvorsitzenden Peter Marti „nachbessern“. Das Urteil verzögert sich deshalb. Es soll laut Marti aber nach Möglichkeit noch im März eröffnet werden.
Verteidiger: Fahrlässige Tötung
Ganz anders als die Anklage sieht Verteidiger Mario Bortoluzzi die Sachlage: Von Mord könne keine Rede sein, es liege ein klarer Fall von fahrlässiger Tötung vor. Sein Mandant habe gemeint, seine Waffe sei ungeladen. Sie müsse einen Defekt gehabt haben. Dass sich ein Schuss gelöst habe, sei ein Unfall gewesen.
Hatte er vor dem Bezirksgericht noch auf 39 Monate als Maximalstrafe plädiert, so nannte er am Montag 42 Monate als angemessen: 36 als Höchststrafe für fahrlässige Tötung, und sechs wegen Verletzung des Waffengesetzes. Sein Mandant habe diese Tat niemals gewollt. Er habe zwar einen Hang zur Prahlerei, sei aber keineswegs aggressiv oder gar gefährlich.
Valentin Landmann, Rechtsvertreter der Eltern der getöteten Gymnasiastin, will die Tat laut Plädoyer wie der Staatsanwalt als Mord eingestuft und mit 20 Jahren Freiheitsentzug bestraft sehen. Für die Eltern verlangte er Genugtuungszahlungen von insgesamt 120’000 Franken.
Unterschiedlich auskunftsfreudig
Der Beschuldigte gab sich vor Gericht je nach Thema unterschiedlich auskunftsfreudig. Auf heikle Fragen, namentlich zum Verbleib der Tatwaffe, verweigerte er konsequent die Auskunft. Würde die Pistole gefunden, so liesse sich ein allfälliger Defekt leicht feststellen.
In seinem Schlusswort wandte sich der junge Mann direkt an die Eltern der Getöteten, die der Verhandlung beiwohnten. Es tue ihm sehr leid, versicherte er. Er hoffe, sie könnten ihm dies dereinst glauben. Dass sie ihm verziehen, könne er nicht verlangen, das könne er ja selbst nicht.
Im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt liegt nach wie vor vieles im Dunkeln. Fest steht, dass die beiden jungen Leute an jenem 7. März 2009 kurz vor Mitternacht zusammen im Auto auf einem Parkplatz bei einem Einkaufszentrum in Volketswil ZH sassen, dass der Beschuldigte seiner Freundin eine Pistole an den Hals hielt und abdrückte.
Die Kugel durchschlug den Kopf des Mädchens von schräg unten. Im Auto wurde eine Patronenhülse gefunden. Nach der Tat rief der Beschuldigte erst seinen Bruder an und traf sich auf einem anderen Parkplatz mit ihm. Auf einem Umweg via Greifensee fuhren sie die tödlich verletzte junge Frau ins Spital. Noch in der Nacht wurde der junge Mann festgenommen und sitzt seither in Haft.