Staatsanwaltschaft pocht nach Fehldiagnose auf Mitschuld von Ärztin

Der Fall einer 34-jährigen Frau, die nach der Totgeburt ihres Kindes im Spital Wil verblutete, wird Mitte September nochmals vor Gericht verhandelt. Die St. Galler Staatsanwaltschaft akzeptiert den Freispruch für die damalige Oberärztin der Gynäkologie nicht.

Thomas Hansjakob, Staatsanwalt, informiert zum «Fall Wil» (Archiv) (Bild: sda)

Der Fall einer 34-jährigen Frau, die nach der Totgeburt ihres Kindes im Spital Wil verblutete, wird Mitte September nochmals vor Gericht verhandelt. Die St. Galler Staatsanwaltschaft akzeptiert den Freispruch für die damalige Oberärztin der Gynäkologie nicht.

Die Oberärztin habe es laut Anklage versäumt, eine fatale Fehldiagnose ihrer vorgesetzten Chefärztin zu hinterfragen. Mit ihrer Berufung an das Kantonsgericht verlangt die Staatsanwaltschaft einen Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung und die Verurteilung der Beschuldigten zu einer Geldstrafe sowie zu einer Busse.

Dagegen akzeptierte die Staatsanwaltschaft die weiteren Freisprüche, welche den Chefarzt der Anästhesie und den Oberarzt der Anästhesie betreffen; diese Urteile des Kreisgerichts Wil von 2012 sind rechtskräftig.

Eine Bäuerin und siebenfache Mutter erlitt im Oktober 2007 nach einer Fehldiagnose Organschädigungen, unter anderem am Herzmuskel. Die Frau hatte bei der Totgeburt einen lebensgefährlichen Gebärmutterriss erlitten. Als die Patientin nach mehreren Stunden notfallmässig ins Kantonsspital St. Gallen verlegt wurde, war es zu spät. Sie starb im Kantonsspital.

Bedingte Freiheitsstrafe für Chefärztin

Die Chefärztin der Gynäkologie am Spital Wil wurde im Juni 2012 verurteilt. Das Kreisgericht Wil sprach gegen sie wegen fahrlässiger Tötung eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus. Die Chefärztin hatte eine Fehldiagnose gestellt, worauf die Patientin falsch behandelt wurde.

Die Chefärztin akzeptierte das Urteil. Ihr wurde vorübergehend ein Coach zur Seite gestellt. Die anderen drei Ärzte, die in den Fall verwickelt waren, arbeiten inzwischen nicht mehr am Spital Wil.

Der Oberärztin Gynäkologie warf die Anklage vor, sie habe die falsche Diagnose einer Atonie (fehlendes Zusammenziehen der Gebärmutter) ihrer Vorgesetzten nicht hinterfragt. Obwohl ein Facharzt die Möglichkeit eines lebensgefährlichen Gebärmutterrisses angesprochen habe, sei die Oberärztin untätig geblieben.

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