Die Ausschaffungsinitiative spaltet die Räte. Der Nationalrat hatte sich aus Angst vor einer neuen Volksabstimmung bei der Umsetzung an der Durchsetzungsinitiative orientiert. Dafür hat der Ständerat kein Verständnis. Er setzt auf eine Härtefallklausel, um die sich widersprechenden Verfassungsbestimmungen zu versöhnen.
Mit der Annahme der Ausschaffungsinitiative ist im November 2010 einen Widerspruch in die Verfassung geraten: Straffällige Ausländerinnen und Ausländer sollen automatisch des Landes verwiesen werden, unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Das verträgt sich nicht mit dem Verfassungsgrundsatz, wonach alles staatliche Handeln verhältnismässig sein muss.
Der Bundesrat will das Problem lösen, indem eine Ausschaffung nicht automatisch, sondern abhängig von der Höhe der Strafe verfügt werden soll. Damit setzte er sich dem Vorwurf aus, den Volkswillen zu missachten.
Der Nationalrat seinerseits versuchte, dem mutmasslichen Volkswillen zuvorzukommen: Aus dem Text der 2012 eingereichten Durchsetzungsinitiative schmiedete er einen Gesetzestext, der weit über den Inhalt der Ausschaffungsinitiative hinausgeht.
Viel mehr Delikte als in der Verfassung vorgesehen würden zu einer automatischen Ausschaffung führen. Wiederholungstäter könnten auch wegen weniger schweren Straftaten oder gar wegen Antragsdelikten des Landes verwiesen werden, selbst wenn sie in der Schweiz aufgewachsen sind und das Land nie betreten haben, in das sie ausgeschafft werden.
Gespaltene Mitte-Parteien
Neben der SVP stimmten im Nationalrat FDP und BDP geschlossen, die CVP nahezu geschlossen für diese Umsetzungsvariante. Im Ständerat zeigten die Bürgerlichen dafür kein Verständnis.
Der Ständerat orientierte sich nun nicht an der Durchsetzungsinitiative, sondern an der Ausschaffungsinitiative. Alle Delikte, die darin genannt werden, führen zu einer obligatorischen Ausschaffung, auch Sozialhilfemissbrauch.
Darüber hinaus wird der Deliktskatalog um jene schweren Straftaten ergänzt, die sowohl in der Variante des Nationalrats wie auch in jener des Bundesrats fehlten – beispielsweise Zwangsheirat oder Genitalverstümmelung.
Keine Mindeststrafe
Die Umsetzungsvorlage beschränkt sich auf Verbrechen, also Delikte, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind. Das bedeutet aber nicht, dass Landesverweisungen nur ab einem bestimmten Strafmass ausgesprochen werden könnten. Wer wegen eines Verbrechens verurteilt wird, soll ausgeschafft werden, auch wenn die tatsächlich ausgesprochene Strafe weniger als drei Jahre beträgt.
Der Ständerat will auch die nicht obligatorische Landesverweisung wieder einführen: Nach Ermessen soll der Richter auch bei weniger schweren Delikten eine Landesverweisung anordnen können.
Kern der Vorlage und gleichzeitig Stein des Anstosses ist jedoch die Härtefallklausel: Das Gericht soll auf eine Ausschaffung verzichten können, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde. Diese Bestimmung ist insbesondere auf Secondos gemünzt. Wer in der Schweiz geboren und aufgewachsen ist, soll nicht leichtfertig in ein fremdes Land abgeschoben werden, nur weil er keinen Schweizer Pass besitzt.
Über die Folgen der Umsetzungvarianten kursieren unterschiedliche Zahlen: Die Varianten von Bundesrat und Ständerat sollen zu 5000 zusätzliche Ausschaffungen pro Jahr führen, jene des Nationalrats zu 11’000. Im Abstimmungsbüchlein zur Ausschaffungsinitiative hatten die Initianten von 1500 zusätzlichen Ausschaffungen gesprochen. Die Vorlage geht nun wieder an den Nationalrat.
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Empfehlenswert dazu der Artikel der Kollegen vom «Tages-Anzeiger»: Der «unwürdige Wettbewerb» mit den Ausschaffungszahlen